Die Weidesaison und der Auftrieb der Schafherden in der Hochrhön stehen bevor. Deshalb veranstalteten der Bayerische Bauernverband Bad Kissingen, der Verein Unsere Rhön und die Jagdverbände des Landkreises Bad Kissingen ein Symposium in der Rhönfesthalle Stangenroth.
Rund 300 interessierte Bürgerinnen und Bürger aus der Region kamen, um die Beiträge der Redner zu hören und zu diskutieren, wie in einer Pressemeldung des Veranstalters heißt. Dabei schilderten mehrere Weidetier- und Gehegehalter anschaulich ihre teilweise drastischen Erlebnisse von Wolfsübergriffen und -rissen, so der Pressebericht.
Tierhalter Norbert Hutzelmann, der am Ortsrand von Gräfendorf Rinder, Schafe und Damwild in größeren eingezäunten Gehegen hält, berichtete, dass selbst Schutzzäune von zwei Metern Höhe den Wolf nicht davon abhalten konnten, wiederholt seine Damwildkälber zu reißen und die Innereien zu fressen. Die Ergebnisse der Untersuchungen beanspruchten oft mehrere Wochen.
Langwierig gestaltete sich das anschließende Verfahren zur Optimierung des Zaunschutzes. Nach monatelangen erfolglosen Bemühungen um einen individuell angepassten Zaunschutz verzichtete Familie Hutzelmann schließlich auf eine Förderung und erstellte den Zaun auf eigene Kosten und dem schwierigen Gelände angepasst.
Ähnlich äußerten sich weitere Tierhalter, wie Max Schätzlein vom Weidebetrieb Müller in Rottershausen. Dort werden drei Herden mit Angusrindern gehalten. Hier ereigneten sich zu unterschiedlichen Zeiten drei Risse an Kälbern und Jungvieh. Auch hier waren die Tierkörper aufgerissen und angefressen, so die Familie Müller. Die Gutachter bewerteten einen Übergriff als Hybridfall, einen anderen als ungewiss, wegen fehlendem Kehlbiss. Die Tierhalter beobachten seitdem eine extreme Unruhe unter den Tieren, was die Betreuung erschwert.
Ebenfalls von Wolfsrissen betroffen ist die Schafhaltung von Julian Schulz in Ginolfs. Hier wurden Tiere durch mehrere Wölfe in unterschiedlichen Gehegen zeitgleich gerissen, wie Schulz berichtete. Die Wölfe seien beim Überwinden der Zäune, die nach den gesetzlichen Vorgaben hoch genug waren, durch Kameras gefilmt worden.
Die Schafe gerieten in Stress, brachen aus und mussten tagelang auf der gesamten Hochrhön gesucht und eingefangen werden. Die Abwicklung der Entschädigungsforderungen dauerten laut Schulz extrem lange.
Ein anderer Wolfsübergriff ereignete sich im Bereich der Schwarzen Berge bei der Schafweidehaltung von Familie Schneider in Geroda. Wegen der nicht kalkulierbaren Gefahr hätten sie die Schafhaltung aufgegeben, so der Pressebericht des Veranstalters.
Der unterfränkische Präsident des Bayerischen Bauernverbandes und EU-Abgeordnete, Stefan Köhler, gab zum Thema Wolf aktuelle Informationen aus dem EU-Parlament. Hiernach sei der Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention bereits im Dezember 2024 von Kriterium „streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt worden. Es müssten nun aber weitere Abstimmungen innerhalb des Europäischen Parlaments und im Europäischen Rat erfolgen, bevor diese Herabstufung Niederschlag im nationalen Recht findet.
Deshalb könne in der bevorstehenden Weidesaison noch nicht mit einer Änderung der Rechtslage gerechnet werden – mit der Folge, dass die bevorstehende Weidehaltung weiterhin durch den Wolf gefährdet sei. Es sei inzwischen bekannt, dass der Wolf durch keinerlei Schutzmaßnahmen umfänglich abgehalten werden könne.
Man müsse nationales Recht einhalten. Köhler verwies aber auf die novellierte Bayerische Wolfsverordnung, die einen gewissen Handlungsspielraum eröffne.
Dr. Hansjörg Heeren aus Ostfriesland präsentierte in seinem Vortrag eine erfrischend neue Sichtweise. Er ist Vorsitzender des Verbandes für Naturschutz in Ostfriesland. So wie in der Rhön die Kulturlandschaft und die Beweidung geschützt werden sollen, gehe es an der Küste um den Schutz des Landes durch die Deiche, erklärte er. Die Schafbeweidung sei dort für den Erhalt der Schutzwälle unerlässlich. Die Schafe hätten den sogenannten Goldenen Tritt, will heißen sie verdichten ständig Aushöhlungen der Oberfläche der Deiche und verhindern damit Ausschwemmungen oder den Abtrag der Wälle. Dies sei für den Lebensraum der Bevölkerung elementar und dürfe daher nicht bedroht oder unterbunden werden.
Der Verein sei aktiv geworden, um die Mitwirkung der heimischen Bevölkerung zum Erhalt einer jahrhundertealten Landschaftsstruktur zu ermöglichen. Die Enkel der jetzigen Generation sollten sich die schützenswerte Heimat nicht mehr nur auf Schautafeln anschauen können.
Einseitig von überregionalen Naturschutzverbänden aufgestellte Regeln, zu denen auch eine wachsende flächendeckende Wolfspopulation gehöre, könnten nicht das Maß für eine solide, fundierte Naturschutzarbeit sein, erklärte Heeren laut Pressemitteilung des Veranstalters. Man müsse mit der Natur leben und der Wolf müsse sich an den Menschen und seine Lebensformen anpassen, nicht umgekehrt.
Staatssekretär Eddie von Marum aus Groningen berichtete von vergleichbaren Gegebenheiten an den Küstengebieten der benachbarten Niederlande. Es sei eine enge Zusammenarbeit beider Länder vonnöten, um eine rasche und wirkungsvolle Änderung des Schutzstatus des Wolfes in der Europäischen Union und damit in den einzelnen Mitgliedsstaaten herbeizu führen, so seine Forderung beim Symposium.
Der Vorsitzende des Vereins „Unsere Rhön“, Daniel Wehner, erklärte , dass man eindeutig das Ziel definieren müsse, dass es um den Erhalt und den Schutz der Kulturlandschaft in der Rhön gehe. Auch Moderator Sebastian Becker sagte, dass aus allen Beiträgen offenkundig abzuleiten gewesen sei, dass die Weidetierhaltung eine fundamentale Rolle für die Rhön für die Bewahrung der Kulturlandschaft spiele. Nur mit ihr könne die Rhön als „das Land der offenen Fernen“ erhalten werden.
Eine von Naturschutzverbänden angestrebte Wolfspopulation sei da kontraproduktiv und auch mit den Zielen des Naturparks und Biosphärenreservats Rhön nicht vereinbar, genauso wenig mit dem Tourismus. red