Pfarrer Thomas Volk
Pfarrer Thomas Volk
Mut zur eigenen Rolle
Signet des Fränkischen Tags Fränkischer Tag

 //  Hammelburg

Wort zum Sonntag für den 4. Mai:

„Sobald ich meine Eltern besuche, werde ich wieder zum kleinen Kind“, erzählt er. „Sie bestimmen, wie ich den Garten anlegen soll, welche Farbe ich beim Streichen verwenden muss – und sie legen mir ein Stück Fleisch auf den Teller, obwohl ich längst Vegetarier bin. Und das Schlimmste: Ich spiele meistens mit.“

Ich staune. Denn der Mann, den ich kenne, ist im Beruf souverän, entscheidungsstark und verantwortungsbewusst. Doch zu Hause bei den Eltern? Ein Rückfall in alte Muster.

Wie schwer ist es doch, alte Rollen abzulegen. Wer Erwartungen bricht, stößt oft auf Widerstand. Anpassung scheint kurzfristig leichter – doch auf Dauer schadet sie der Seele. Denn wir sind zur Freiheit berufen (Galater 5,13): Nur wer frei ist, kann wirklich begegnen, kann echt lieben.

Kein Geringerer als Jesus selbst hat das vorgemacht. Nach seiner Taufe kehrte er nicht in sein altes Leben als Handwerker zurück. Er blieb nicht der „liebliche“, der „harmlose“ Jesus, zu dem ihn viele bis heute machen möchten. Stattdessen lebte er radikal nach dem Willen Gottes – kompromisslos, mutig, voller Liebe. Er zog als Wanderprediger durchs Land, heilte, tröstete, ermutigte. Er brach gesellschaftliche Tabus, sprach mit Frauen, wertschätzte Kinder und setzte sich mit Ausgegrenzten an einen Tisch.

Seine eigene Familie war fassungslos. „Er ist von Sinnen“, sagten sie. Doch Jesus blieb standhaft: „Wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“ (Markus 3,35). Er ließ sich nicht in alte Rollen zurückdrängen. Und seine Entschlossenheit wirkte: Am Ende standen viele aus seiner Familie an seiner Seite.

Wirklich erwachsen werden wir erst, wenn wir den Mut haben, unsere eigene Geschichte zu schreiben – nicht die, die andere für uns vorgesehen haben.

Pfarrer Thomas Volk

3.Pfarrstelle

Schwerpunkt „Konfirmanden-

und Jugendarbeit“

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