„Es war als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihm wohl träumen müsst.“ Mit diesen Zeilen beginnt das Gedicht „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff von 1837 – eine Zeit, in der Kunstlicht noch nicht die Sicht auf die Sterne einschränkte. Warum das Gedicht zum Wonnemonat Mai passt und was uns die Sterne im Mai bringen, erklären Sabine Frank, Sternenpark-Beauftragte beim Landkreis Fulda, und Hobby-Astronom Dr. Franz-Peter Schmidt in ihrer monatlichen Himmelsvorschau.
Zum einen blühen im Mai endlich viele Pflanzen in voller Pracht. Außerdem sind durch die erst spät hereinbrechenden Nächte schon viele Lampen ausgeschaltet, so dass an und in manchen Orten der Sternenhimmel wieder den Erdboden küssen kann. Zur beruhigenden Stimmung des Gedichts passt auch der unaufgeregte beschauliche Frühlingssternenhimmel, der nicht so reich an hellen Gestirnen wie der Winter- oder Sommersternenhimmel ist.
Frühlingsdreieck aufsuchen
Zur ersten Orientierung bietet es sich an, das sogenannte Frühlingsdreieck aufzusuchen. Mithilfe der Sternkarte und des „Großen Wagens“ als Navi ist dies sogar ganz einfach. Denn wenn man die Deichsel des hoch im Zenit stehenden Wagens in Richtung Süden verlängert, führt die Linie direkt zu Arktur, dem halbhoch am Himmel stehenden, orange funkelnden und hellsten Stern am nördlichen Sternenhimmel. Arktur bildet den ersten Punkt des Frühlingsdreiecks. Setzt man die Linie weiter in Richtung Südhorizont fort, stößt man unweigerlich auf die bläulich leuchtende Spica, den zweiten Frühlingsdreiecks-Stern.
Das Sternbild Jungfrau ist das ausgedehnteste unter den Tierkreissternbildern und repräsentiert die Tochter der Ackerbaugöttin Demeter. Spica, der Hauptstern der Jungfrau, bedeutet auf Lateinisch „Kornähre“ und verdeutlicht uns, wie wichtig für unsere Vorfahren Aussaat und Ernte waren.
Auch für die Wissenschaft ist die etwa 250 Lichtjahre weit entfernte Spica interessant. Nicht nur ist sie mit einer Oberflächentemperatur von über 22.000 Grad Celsius im Vergleich zur Sonne (etwa 5500 Grad Celsius) einer der heißesten Sterne am Himmel. Die Spica war in der Astronomiegeschichte auch Gegenstand zahlreicher Beobachtungsstudien, zum Beispiel zur Messung der Tagnachtgleiche.
Schwarzes Loch
Das Sternbild Jungfrau ist auch Heimat der Riesengalaxie Messier 87, die etwa 55 Millionen Lichtjahre von unserer eigenen Galaxis entfernt ist und ein extrem großes Schwarzes Loch in ihrer Mitte beherbergt. Dieses supermassereiche Objekt sorgte 2019 für eine wissenschaftliche Sensation, denn durch die weltweite Zusammenarbeit von Forschenden gelang der erste direkte visuelle Nachweis eines Schwarzen Lochs.
Rund um den Schatten des Schwarzen Lochs in der Mitte befindet sich die sogenannte Akkretionsscheibe. Dabei handelt es sich um einen Materiering aus ionisiertem Gas oder auch zerriebenen Sternen, die der Mitte zu nahe gekommen sind.
Zurück zum irdischen Sternenhimmel kommend, vervollständigen wir mit Regulus, dem hellsten Stern im Sternbild Löwen, das Frühlingsdreieck.
Ist die Jungfrau das größte Sternbild unter den Tierkreissternbildern, so nimmt die Wasserschlange, Hydra, flächenmäßig den meisten Platz am Firmament in Anspruch. Dort wurde sie vor über 2000 Jahren platziert und ist doch weitgehend unbekannt. Das liegt daran, dass sie kaum helle Sterne enthält und sich nah am Horizont unterhalb des Frühlingsdreiecks entlang schlängelt. Wer ihre bemerkenswerte Figur einmal gefunden hat, wird auch den Raben und den Becher, die beide auf ihrem Schlangenkörper verewigt sind, finden. Jetzt ist die beste Zeit dafür.
Wer das Auge über den südlichen Sternenhimmel schweifen lässt, findet einige schwach leuchtende Wölkchen, die sich im Fernglas als offene Sternhaufen zeigen und hübsch anzusehen sind. Die Sichtbarkeit von Jupiter und Mars beschränkt sich nunmehr auf die erste Nachthälfte – aber noch steht Jupiter hell strahlend am Westhimmel. Venus baut als Morgenstern ihre Helligkeit aus und wird so manchem Frühaufsteher Freude bringen, bevor das Licht der aufgehenden Sonne die Venus „verschluckt“.
Vollmond an Muttertag
Der Wonnemonat Mai beginnt mit der Sichtbarkeit der zunehmenden Mondsichel am westlichen Abendhimmel. Am ersten Mai-Sonntag sehen wir den Halbmond, und pünktlich zu Muttertag am 11. Mai sorgt der Vollmond für stimmungsvolles Naturlicht in den Abendstunden. Ein ganz besonderer Zauber geht jedoch vom abnehmenden Mond aus, denn dieser geht dann am bereits dunklen Himmel auf. red