Christine „Christl“ Striegel blickt auf ein fast hundertjähriges, bewegtes Leben zurück. Warum ihr Erfolgsrezept für ein langes Leben ausgerechnet nichts mit Salat zu tun hat.
Wenn man will, kann man alles schaffen. Dieser Devise folgt Christine „Christl“ Striegel schon ihr Leben lang. Geboren in Niederwildgrub im Sudetenland, aufgewachsen in Schwarzwasser im Altvatergebirge, kam sie 1946 nach Ebermannstadt und kämpfte sich durch alle Widrigkeiten. Vier Kinder – alles Jungen, davon ein Zwillingspaar – hat sie großgezogen, ein Geschäft aufgebaut und nie aufgegeben. Am 15. Juni 2025 feiert sie ihren 100. Geburtstag und blickt auf ein bewegtes Leben zurück.
Ebermannstadterin Christine Striegel wird 100 Jahre
Wer Christine Striegel begegnet, kann kaum glauben, dass sie (noch) 99 Jahre alt ist. Temporeich erzählt sie eine Geschichte nach der anderen und brilliert mit einem beeindruckenden Namensgedächtnis. Momentan ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen – auf die entsprechenden Gymnastikübungen, um das zu ändern, hat sie wenig Lust. „Linkes Bein, rechtes Bein hoch. Da denke ich, ich bin im Kindergarten“, erklärt sie ihren Unmut gegenüber Sport.
Christine Striegel kommt 1946 nach Ebermannstadt
Mit ihrer Familie kam sie 1946 nach Ebermannstadt und arbeitete erst bei einer Schneiderin als Gehilfin. Einige Zeit später folgte eine Anstellung bei der Post. Viele Menschen hat sie durch die neue Arbeit kennengelernt und immer mehr Anschluss in Ebermannstadt gefunden. Zusammen mit einer Kollegin arbeitete sie in der Telefonvermittlung. „Da kam es schon einmal vor, dass man schnell irgendwo hinlaufen musste, um etwas auszurichten, wenn jemand noch kein Telefon hatte“, erzählt sie. „Damals waren nicht so viel Leute da wie heute. Es war sehr einfach – man hat alle gekannt. Auch die Höheren, die wohl gedacht haben, sie sind ein wenig mehr“, berichtet sie lachend von der zurückliegenden Zeit.
Viele Jahre leitete sie das Bekleidungsgeschäft Striegel am Marktplatz. „Das hat sich so entwickelt“, wie sie ihren Weg zur Geschäftsfrau erklärt. Ihr Mann Konrad betrieb bereits ein Bekleidungsgeschäft. Die Telefonvermittlung in Ebermannstadt wurde eingestellt und Striegel nach Forchheim versetzt. Jeden Tag nach Forchheim und die mittlerweile drei Kinder daheim, „das geht nicht“, dachte sich Christine Striegel – so entstand im Jahr 1957 die Idee, im Laden mitzuwirken. „Ich habe mir einen Kleiderständer gekauft, den ich vor die Tür des Bekleidungsgeschäftes gestellt habe. So habe ich angefangen.“
Geschäft in Ebermannstadt ausgebaut
Zusammen mit ihrem Mann baute sie das Geschäft weiter aus. Sechs Angestellte halfen bei der täglichen Arbeit und eine Teilzeitkraft unterstützte bei den Änderungen. 1969 dann der Schock – ihr Mann Konrad erlitt einen Schlaganfall. Von nun an war sie im Laden auf sich allein gestellt und fasste folgenden Entschluss: „Wenn ich schuldenfrei bin, höre ich auf.“ Diesen Plan konnte sie 1985 in die Tat umsetzen. „Irgendwann war es dann mal gut. Ich war froh, wie ich das Geschäft loshatte. Ich habe es nicht mehr geschafft“, erklärt sie.
Jahrelang hatte sie von Montag bis Samstag tagsüber im Laden gestanden und meist bis nachts um zwölf Uhr an der Nähmaschine gesessen, um die Änderungswünsche ihrer Kunden umzusetzen. Bis jemand ans Fenster geklopft und gesagt hat: „Schau, dass du wieder ins Bett kommst“, erzählt sie lachend. Am Sonntag kümmerte sie sich um die Buchhaltung. Die einzige Auszeit war eine Woche Urlaub im Jahr – dann fuhr sie in ihre tschechische Heimat.
Ihr Geschäft war damals einmalig und so etwas wie eine Marktlücke. In der jeweiligen Saison bekam man bei den Striegels auch Kommunionkleidung, später wurde das Sortiment um fränkische Trachtenanzüge und Dirndl erweitert. Warum sie so alt geworden sei, liege wohl daran, „dass immer alle meinen Salat mitgegessen haben“, wie sie lachend erklärt. Sie isst nämlich keinen. Dafür alles andere, was ungesund ist.
Trotz ihres hohen Alters zeigt Christine Striegel noch Interesse an allem, was um sie herum passiert. „Die gehen hier alle schon um 18 Uhr ins Bett“, beklagt sie, dass sie zu später Stunde im Pflegeheim niemanden mehr zum Reden hat. Dann schaut sie noch bis 22 Uhr fern und verfolgt unter anderem das politische Geschehen. „Über die Politiker steigen einem die Haare hoch“, empört sie sich. Scholz und Putin würde sie gerne einmal treffen und ihnen die Meinung sagen.
Seniorin aus Ebermannstadt möchte Putin und Scholz treffen
Mit derselben hält sie sich selten zurück. Schlagfertig und direkt sagt sie ehrlich, was sie denkt, „lässt trotzdem auch andere Meinungen zählen und ist sehr tolerant“, wie Enkelin Annika Striegel-Fröhlich erläutert. Sie lacht viel und hat ein großes Herz. Auch das Organisieren steckt Christine Striegel noch im Blut. „Sie organisiert uns alle immer noch“, wie Annika Striegel-Fröhlich erzählt. „Oma kriegt immer alles mit und schafft es, dass alle wieder zusammenkommen, wenn es Streit gibt.“
Mit sensiblen Worten über sich kommt die taffe Geschäftsfrau weniger zurecht, weshalb Enkelin Annika ihrer Oma abseits des Interviews eine kleine Liebeserklärung macht: „Unsere Oma ist schon immer für uns alle da, egal was ist hat sie ein offenes Ohr und hat durch ihre Lebenserfahrung auch meist den richtigen Rat. Sie unterstützt uns und steht hinter uns, auch jetzt noch. Sie ist für die ganze Familie ein riesiges Vorbild, in dem, was sie ihr Leben lang geleistet hat. Sie hat so viel gearbeitet und gekämpft, wir sind alle unheimlich stolz, ein Teil ihrer Familie zu sein.“


