Alexandra R.
Anders als sein Geschäftspartner versteckt der Angeklagte Dejan B. sein Gesicht, als er den Saal betritt. Er war der ehemalige Lebensgefährte des Opfers. // Anna-Lena Reif
Mord an Alexandra R.: Kaum Regung bei den Angeklagten

Obwohl von der schwangeren Alexandra R. auch knapp eineinhalb Jahre nach ihrem Verschwinden jede Spur fehlt, müssen sich ab Dienstag zwei Angeklagte vor dem Landgericht Nürnberg Fürth wegen Mordes verantworten. Einer von ihnen wohnte in Kalchreuth.

 //  Nürnberg

Es fällt schwer, in den Gesichtern der beiden Angeklagten eine Regung zu entdecken, während die Staatsanwältin an diesem Dienstagvormittag die 14-seitige Anklageschrift verliest. Gemeinsam sollen Ugur T. aus Kalchreuth und Dejan B.  aus Nürnberg dessen ehemalige Lebensgefährtin im Dezember 2022 entführt und ermordet haben. Von der Leiche der damals 39-jährigen Alexandra R. fehlt bis heute jede Spur – sie war im achten Monat schwanger. Ein Fall, der die Region erschüttert hat. 

Das öffentliche Interesse ist groß, schon eine halbe Stunde vor Prozessbeginn sammeln sich Journalisten, Kamerateams und Zuhörer vor dem Gerichtssaal im Nürnberger Strafjustizzentrum. Als die beiden Angeklagten in den Saal geführt werden, herrscht abgesehen vom Kameraklicken weitestgehend Ruhe.

Mord an Alexandra R.: Anklageschrift geht über 14 Seiten

Während die Staatsanwältin die Anklage verliest, beobachten nicht nur die zahlreichen Journalisten die Angeklagten genau. Auch die Richter scheinen auf eine Reaktion der beiden Männer zu warten. Der Sachverhalt klingt komplex: Von 2007 bis 2022 führte Dejan B. eine Beziehung zum Opfer. Nach vermehrten Streitigkeiten um Geld und den Zugang zu den Konten des Opfers, soll der Angeklagte Alexandra R. bei der Arbeit sowie Zuhause aufgesucht und bedroht haben, sodass diese im März 2022 sogar ein Frauenhaus aufsuchte. 

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Das Medieninteresse zum Prozessauftakt ist enorm. // Anna-Lena Reif

Auch danach sollen die beiden Angeklagten versucht haben, sich das Vermögen und mehrere Immobilien des Opfers zu erschleichen, in dem sie wiederholte Zahlungsaufforderungen im Namen ihrer Firma stellten. Erst durch einen Pfändungsbescheid soll Alexandra R. im Oktober 2022 von den Maßnahmen erfahren haben und ab diesem Zeitpunkt gerichtlich dagegen vorgegangen sein.


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„Die Angeschuldigten B. und T. vereinbarten daher spätestens Anfang Dezember 2022, Alexandra R. noch vor der gerichtlichen Verhandlung am 15.12.2022 aufzulauern, sie zu verfolgen und zu töten“, heißt es in der Anklageschrift. Am 9. Dezember 2022 sollen die beiden Angeklagten Alexandra R. von der Kita, wo sie ihr Pflegekind absetzte, zu einer ihrer Immobilien in Schwabach verfolgt haben. Dort sollen sie Alexandra R. überwältigt und sie dann zu einer Lagerhalle in Hilpoltstein gebracht haben, wo sie sie zwangen, die Anzeige gegen beide schriftlich zurückzuziehen. Danach sollen sie Alexandra R. getötet und ihre Leiche beseitigt haben, so die Version der Staatsanwaltschaft. 

Angeklagte verhalten sich auffällig passiv

Vor Gericht blättert der ehemalige Lebensgefährte von Alexandra R. immer wieder in den Akten vor ihm auf dem Tisch, während er der Staatsanwältin zuhört, wirkt jedoch beinahe gelangweilt. Wirft man jedoch einen Blick zu Ugur T., zeigt sich ein anderes Bild. Immer wieder dreht der Angeklagte nervös einen Kugelschreiber in den Händen, flüstert seinen Verteidigern kurz etwas ins Ohr. Als die Staatsanwältin nach elf Seiten beim Mordvorwurf ankommt, schüttelt er kaum merklich den Kopf.

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Der Angeklagte Ugur T. wird in den Gerichtssaal geführt. Zusammen mit seinem Geschäftspartner soll er den Tod von Alexandra R. sorgfältig geplant haben. // Anna-Lena Reif

Äußern wollen sich vor Gericht beide nicht – ein Umstand, der auch für die Angehörigen schwer zu verdauen sein dürfte. „Es wäre angenehmer zu wissen, wo man trauern kann, wie das Geschehen am Schluss war“, sagt Harald Straßner, der die Nebenkläger vertritt, am Ende des ersten Prozesstages. „Aber die Angeklagten werden uns nicht den Gefallen tun, davon zu berichten.“

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten aus Nürnberg und Kalchreuth auch vor, falsche Spuren gelegt zu haben, um die Ermittlungen zu behindern. So sollen sie nicht nur das Handy des Opfers über die Grenze nach Italien gebracht und dort auf einem Parkplatz entsorgt, sondern auch im Namen von Alexandra R. Nachrichten an ihre Angehörigen verfasst haben, um ein freiwilliges Abtauchen vorzutäuschen. 

Prozess soll bis Ende Juli laufen

Die Angehörigen treten zwar als Nebenkläger auf, werden dem Prozess in Nürnberg aber nicht beiwohnen. „Es ist schwer für meine Mandanten. Der Bruder des Opfers hat es nicht geschafft, heute herzukommen. Ich verstehe das sehr gut, weil die Ungewissheit da ist, weil man einen letzten Funken Hoffnung hat, dass die Schwester noch lebt. Aber für meine Begriffe ist das auszuschließen“, so Straßner. „Für die Familie ist es bedrückend. Aber sicher noch mehr bedrückend ist es für den aktuellen Lebensgefährten, der der Kindsvater und der Lebensgefährte der Getöteten ist und diese heiraten wollte“, fügt der Anwalt hinzu.

Wie die Staatsanwaltschaft den beiden Angeklagten die Tat nachweisen will, ist noch nicht klar. In der Anklageschrift ist aber zum Beispiel die Rede davon, dass die Angeklagten das Opfer mit Panzertape geknebelt und dieses anschließend so gewaltsam entfernt hätten, dass sie ihr dabei mehrere Haare sowie einen Ohrring ausgerissen haben sollen. Außerdem geht die Anklage davon aus, dass die beiden Männer Alexandra R. nach Südbayern gebracht haben. Dafür sollen sie sich wegen der dort herrschenden winterlichen Verhältnisse unter anderem mit dem Kauf von Frostschutzmittel vorbereitet haben. Welche konkreten Beweise die Ermittler gefunden haben, wird sich im Verlauf des Prozesses zeigen. „Es ist gut ermittelt worden, sehr umfassend. Es wurde jeder Stein umgedreht“, verrät Straßner am Dienstag.

Der Mammutprozess soll nun, soweit möglich, Klarheit für die Angehörigen bringen. 100 Zeugen sind dafür geladen, 37 Verhandlungstage angesetzt. Voraussichtlich wird der Prozess bis Ende Juli andauern. 

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