Ein 74-Jähriger schenkt seiner Frau ein neues Leben. Im Uniklinikum Erlangen wird mit einer Nierenspende Geschichte geschrieben.
„Alles begann damit, dass mein Blutdruck deutlich erhöht war“, erinnert sich Sieglinde P. „Also ging ich zum Hausarzt. Der überwies mich schließlich zum Nephrologen.“ Dort bestätigte eine Biopsie den Verdacht: IgA-Nephritis. Eine Autoimmunreaktion des Körpers führt dabei zu Ablagerungen in den Nierenkörperchen, die deren Filtereinheiten schädigen – und somit die Funktionsfähigkeit des gesamten Organs beeinträchtigen.
„Die Prognose war eigentlich gut. Etwa zwei Drittel der Betroffenen können ohne gravierende Einschränkungen mit der Erkrankung leben. Ich selbst habe das bei meiner Mutter gesehen, sie war ebenfalls an IgA-Nephritis erkrankt und ist stolze 89 Jahre alt geworden“, berichtet Sieglinde P. Zum Zeitpunkt der Diagnose war die damals 40-Jährige daher voller Zuversicht.
Patientin lebt seit 30 Jahren mit Diagnose
Von da an versuchte die Patientin ihre Nierenfunktion durch eine gesunde, ausgewogene Ernährung und einen aktiven Lebensstil bestmöglich zu unterstützen. Hinzu kamen regelmäßige Kontrollen beim Nephrologen – erst jährlich, später halbjährlich. „Letztlich habe ich es mit viel Disziplin fast 30 Jahre lang geschafft, meine Nieren trotz der Einschränkung am Laufen zu halten“, schmunzelt die heute 71-Jährige sichtlich stolz.
Trotz eiserner Disziplin verschlechterte sich ihre Nierenfunktion jedoch, die Kontrollbesuche in den Praxen häuften sich. Im Januar 2024 stand schließlich fest: Eine Dialyse ist unausweichlich. „Ursprünglich hatte mir der behandelnde Nephrologe zur Bauchfelldialyse geraten“, erklärt die Patientin. „Dabei wird das Bauchfell als natürlicher Filter genutzt, um den Körper von Abfallstoffen zu befreien – und ich hätte die Behandlung selbstständig von zu Hause aus durchführen können.“
Doch ausgerechnet kurz bevor der Katheter für die Bauchfelldialyse gelegt werden sollte, entwickelte Sieglinde P. eine Divertikulitis – eine Entzündung kleiner Ausstülpungen in der Darmwand; da die Divertikulitis immer wieder auftreten kann, war die Bauchfelldialyse zu gefährlich. Und so blieb nur die regelmäßige Hämodialyse, dreimal pro Woche, jeweils mehrere Stunden im Dialysezentrum Nürnberg-West.
Roland P. schenkt seiner Frau ein neues Leben
Obwohl Sieglinde P. einer Nierentransplantation aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters und der langen Wartezeit kritisch gegenüberstand, ermunterte ihr Nürnberger Nephrologe Dr. Stefan Graf sie dazu, sich zu informieren und eines der Patientenseminare des Transplantationszentrums Erlangen-Nürnberg zu besuchen: „Schauen und hören Sie es sich einfach mal an.“ Also nahm das Ehepaar schließlich an zwei Terminen teil.
„Durch die Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte, die dort von ihren Erfahrungen berichteten, hatten wir gleich ein ganz anderes Gefühl für die Organspende – alles erschien auf einmal viel greifbarer“, erinnert sich Sieglinde P. „Direkt im Anschluss sagte mein Mann, dass er mir eine seiner Nieren spenden möchte.“ Der Blick der 71-Jährigen wandert zu ihrem Ehemann. Roland P. ergänzt: „Meine Frau musste während unserer Ehe mehrmals für mich zurückstecken, etwa damit ich meinen beruflichen Traum verwirklichen konnte. Nach all den Jahren wollte ich ihr etwas zurückgeben.“
Spender und Empfänger müssen fit sein
„Die Entscheidung für eine Lebendnierenspende ist immer, aber vor allem im fortgeschrittenen Alter, sorgfältig abzuwägen“, erklärt Mario Schiffer, Direktor der Medizinischen Klinik 4 – Nephrologie und Hypertensiologie des Uniklinikums Erlangen. „Schließlich soll es sowohl dem Spender als auch der Empfängerin nach dem Eingriff gut beziehungsweise besser gehen. Daher findet am Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg eine umfassende Aufklärung statt. Ebenso stellen wir in verschiedenen Voruntersuchungen die medizinische Eignung des Spender-Empfänger-Paars fest; beide müssen gesundheitlich fit sein.“
Nach unzähligen Untersuchungen und wochenlanger Unsicherheit dann endlich die befreiende Nachricht: Das Ehepaar ist für eine Lebendnierentransplantation geeignet. „Da haben wir uns schon ein bisschen gefreut“, sagt Sieglinde P. bescheiden – aber mit einem bewegten Lächeln auf den Lippen.
„Bei einer Lebendnierenspende finden sowohl die Organentnahme als auch die Transplantation zeitgleich am selben Tag statt. Dadurch wird die Ischämiezeit – also die Zeit, in der das entnommene Organ ohne Blutversorgung außerhalb des Körpers verbleibt – so kurz wie möglich gehalten“, erklärt Operateur Hendrik Apel, leitender Oberarzt in der Urologischen und Kinderurologischen Klinik. Er ergänzt: „Die Organentnahme bei Herrn P. erfolgte minimalinvasiv mit der Schlüssellochtechnik: Über vier kleine Schnitte in der Bauchdecke und einen etwa fünf Zentimeter langen Schnitt im Unterbauch konnten wir die Niere entnehmen.“
Uniklinikum Erlangen: 500. Lebendnierenspende
Auch die anschließende Transplantation wurde in einem möglichst schonenden Verfahren durchgeführt. Georg Weber, stellvertretender Direktor der Chirurgischen Klinik, der die Operation gemeinsam mit Apel leitete, betont: „Natürlich birgt jeder operative Eingriff ein gewisses Risiko. Die Nierentransplantation gehört jedoch zu unseren Routineeingriffen und ist in der Regel sehr gut verträglich.“
Bereits wenige Tage nach der Operation können Roland und Sieglinde P. aus dem Krankenhaus entlassen werden und zurück in ihren Alltag kehren – einen Alltag, der sich fortan ganz anders gestalten wird. „Jetzt, wo die Dialyse entfällt, werde ich so viel Zeit haben, dass ich wahrscheinlich erst mal gar nicht weiß, was ich damit anfangen soll“, sagt die 71-Jährige und lacht. „Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder zu walken und Rad zu fahren, im Chor zu singen und wandern zu gehen.“
Auch Roland P. hat bereits Pläne: „Jetzt am Anfang lasse ich es natürlich ruhig angehen. Aber ich freue mich, schon bald wieder auf dem Fußballplatz zu stehen.“ Sichtlich bewegt bedankt sich das Ehepaar zum Abschied: „Wir haben uns hier im Uniklinikum immer in besten Händen gefühlt, sowohl bei den Ärztinnen und Ärzten als auch bei der Pflege. Es war das Richtige – für uns beide.“ Auch Katharina Heller, Leiterin der Geschäftsstelle des Transplantationszentrums Erlangen-Nürnberg, wirkt gelöst: „Wir fiebern mit jedem Paar mit. Umso schöner, dass unser 500. Lebendnierenspendepaar fast 60 Jahre nach der allerersten Transplantation am Uniklinikum Erlangen so zufrieden ist!“ Auf die Frage, was sie anderen Betroffenen mit auf den Weg geben möchten, antworten beide ohne zu zögern: „Seien Sie mutig!“



