Beim Hammelburger MittwochsTALK unter dem Motto „Menschen – Themen – Lebenswelten“ stehen Menschen aus der Region im Mittelpunkt, die ihre persönliche Geschichte erzählen. Auch die vierte Veranstaltung bereitete Moderatorin Maria Albrecht-Martin mit sehr viel Liebe vor.
Diesmal hatte sie Familie Ziegler aus Unterpleichfeld zu Gast – Mama Julia (42) und Papa Mathias (48), die gemeinsam Julias Wunsch nach einer großen Familie umgesetzt haben. Entgegen der Prognose von Julias Mutter, für diesen Wunsch finde man keinen Mann, haben sie neun Kinder, genauer acht Jungs und ein Mädchen, im Alter von 10 Monaten bis 19 Jahren.
Alle elf Zieglers waren von Anfang an auf der Bühne und gaben dem Publikum 90 Minuten lang Einblick in ihr außergewöhnliches Familienleben, das schon in der Ausschreibung Anklänge an das liebenswerte Bullerbü von Astrid Lindgren erkennen ließ. Fotos unterstützten diesen Eindruck.
Lernen von klein auf
In einem großen Garten bauen sie ihren gesamten Bedarf an Gemüse und Obst an. Gänse, Hühner und Bienen liefern weitere Produkte für den täglichen Nahrungsbedarf. Von früher Kindheit an lernen alle das Gärtnern und die Zusammenhänge in der Natur, da sie erst zur Vorschule den Kindergarten besuchen und vorher ihren Eltern zunächst spielerisch, bald aber auch tatkräftig, sachkundig und stolz beim Pflanzen, Pflegen, Ernten und Verarbeiten helfen. Auch der Brotbedarf wird aus eigener Herstellung gedeckt. Nur einmal pro Woche gibt es einen größeren Einkauf.
Wie managt man einen Elf-Personen-Haushalt mit so vielen noch sehr jungen Mitgliedern? Da gilt bei Zieglers als Goldene Regel: „Wichtiges zuerst“ gefolgt von der Einstellung „Man muss sich daran gewöhnen, dass nicht immer alles gemacht ist“.
Die Mutter wirft jeden Morgen eine große Waschmaschine an. Und da jedes Kind nur zwei Hosen und wenige Oberteile besitzt, verliert sie nicht den Überblick. Simeon (15) grinst und gibt zu, dass er sich öfter mal im Schrank seiner Brüder bedient.
Mit Liebe, Freude, Gelassenheit und ganz viel Miteinander
Man spürt im Gespräch sehr schnell, dass die Zieglers ihren Alltag mit großer Liebe, Freude, Gelassenheit und ganz viel Miteinander gestalten. Jedes Kind fühlt sich wirklich gesehen, so Elias (19). Die Eltern seien immer für die Kinder da, und wenn ein Geschwister einmal mehr Fürsorge brauche, dann stecke man selbst zurück, fährt er fort.
Befragt nach dem Erziehungsstil der Eltern, bescheinigt Raphael (17) seinen Eltern diesen als „bombastisch“. Mit einem Schmunzeln erklärt er: „Was Mama sagt, muss gemacht werden. Es gibt schon feste Regeln, aber ich weiß nicht welche.“ Und dass das stimmig ist, zeigt Papa Mathias’ Ergänzung: „Es gibt tatsächlich keine festgelegte Rollenaufteilung in der Familie, denn jeder macht einfach die Arbeit, die gerade anfällt und die er oder sie gerade sieht.“ Und alle sind sich einig, dass das gut funktioniert. Nur beim Abwasch gibt es ab und zu mal Diskussionen unter den Geschwistern, da die Zieglers keine Spülmaschine besitzen.
Nur ein Kind hat ein Handy
Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass nur der Älteste als Einziger ein Handy hat, seit er 16 Jahre alt war. Die jüngeren Teenager versichern ganz entspannt, dass das Leben auch ganz prima ohne Handy für sie funktioniere und sie nichts vermissen würden. Ihre Freunde und Freundinnen hätten das akzeptiert, sie bekämen trotzdem alles mit und werden übers Festnetz informiert.
Das Publikum war sichtlich beeindruckt davon, wie im Gespräch mit den Kindern deutlich wurde, wie glücklich sie miteinander sind. „Wir haben uns auf jedes neue Geschwisterchen gefreut“, so Elias, der Erstgeborene. Seine Geburt fand als einzige in einem Krankenhaus statt, alle anderen zuhause, und so war die Geburt von Nepomuk (10 Monate) für ihn etwas ganz Normales: „Bei Geburtsbeginn ging Mama nach oben, und ich habe unten am Esstisch fürs Abi gelernt.“
Ein wohltuendes Beispiel
Stimmen aus dem Publikum zeigten, dass man sehr beeindruckt war darüber, wie es den beiden Eltern gelingt, Achtung vor den Mitmenschen und der Natur sowie Gemeinschaftsgeist und Hilfsbereitschaft als etwas ganz Selbstverständliches zu vermitteln und zu leben. Julia und Mathias sind mit ihrer liebenswerten Kinderschar ein wohltuendes Beispiel für eine Variante von Familienleben, die nur noch selten zu finden ist. Und in so manchem Zuhörenden ließ die Begegnung mit ihnen die Sehnsucht nach einem ähnlichen haltgebenden Familiengeist entstehen, gerade in der heutigen Zeit mit ihren vielfältigen Herausforderungen.