Als 24/7-Markt fungiert der Dorfladen in Kaltenbrunn seit Samstag. Nicht nur Zugang und Bezahlvorgang haben sich außerhalb der üblichen Öffnungszeiten geändert. Waren mussten umgeräumt und Teile abgetrennt werden.
Als 24/7-Markt fungiert der Dorfladen in Kaltenbrunn seit Samstag. Nicht nur Zugang und Bezahlvorgang haben sich außerhalb der üblichen Öffnungszeiten geändert. Waren mussten umgeräumt und Teile abgetrennt werden. // Bettina Knauth
Tante Emma im digitalen Zeitalter
Signet des Fränkischen Tags von Bettina Knauth Fränkischer Tag

Einkaufen rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche. Das können Kunden nun in Kaltenbrunn.

 //  Kaltenbrunn im Itzgrund

  Mit dem offiziellen Start des 24/7-Konzepts wurde der Dorfladen am Samstag auf ein neues Level gehoben. Der 2017 eröffnete Markt ist laut Hauptgesellschafter Wilhelm Heubner „sehr gut eingeführt“ und „für viele Bürger unverzichtbar geworden“. Nun soll er noch attraktiver und damit zukunftssicherer werden. „Das Einkaufsverhalten hat sich in den letzten Jahren hin zu Einkäufen später am Abend und Online-Käufen verändert“, schilderte Heubner.

Schnell noch am Sonntag Nachschub an Müsli oder auch Windeln besorgen: Das ist nur eine Möglichkeit, die der neue 24/7-Markt in Kaltenbrunn bietet. Bei der offiziellen Eröffnung am Samstag zeigten sich Kunden wie hier Anastasia Ramin und Viktor Po...
Schnell noch am Sonntag Nachschub an Müsli oder auch Windeln besorgen: Das ist nur eine Möglichkeit, die der neue 24/7-Markt in Kaltenbrunn bietet. Bei der offiziellen Eröffnung am Samstag zeigten sich Kunden wie hier Anastasia Ramin und Viktor Porzelt von dem neuen „Rund um die Uhr“-Einkaufskonzept überzeugt. // Bettina Knauth

Darauf reagiere nach den großen Läden, die bereits alle Möglichkeiten des Ladenschlussgesetzes ausnutzen, nun auch der Itzgrundmarkt. „Tante Emma ist im digitalen Zeitalter angekommen, zusammen haben wir das geschafft“, freut sich Dieter Scherbel, stellvertretender Vorsitzender des Gesellschafterrats.

Vorschlag schon vor zwei Jahren

Bereits vor zwei Jahren hatten Marktleiterin Alexandra Holly sowie die Controllerin Brigitte Thomas vorgeschlagen, den Laden in einen 24/7-Markt umzubauen. Vor einem Jahr setzten sich die neuen Hauptgesellschafter, zu denen neben Heubner noch Manfred Brehm und Bürgermeisterin Nina Liebermann (CSU) gehören, mit der Marktleiterin, dem ehrenamtlichen Geschäftsführer, 2. Bürgermeister Horst Porzelt (SPD) und dem Beirat zusammen, um das neue Konzept zu entwickeln. Der Gemeinderat Itzgrund stimmte zu, das Vorhaben zu finanzieren und das gemeindeeigene Gebäude entsprechend umzubauen. Um zu Zeiten einkaufen zu können, zu denen die Türen normalerweise verschlossen sind, musste die Türsteuerung mit einem Scanner ausgestattet, gegen möglichen Missbrauch eine Videoüberwachungsanlage eingebaut werden. Zum Bezahlen wurde eine Selbstscanner-Kasse angeschafft, das gesamte Sortiment wurde scanfähig gemacht.

Der Bereich der Frischetheken kann außerhalb der Bedienungszeiten mit Rollläden abgetrennt werden. Dahinter verschlossen bleiben vorerst auch alle Waren, die unter das Jugendschutzgesetz fallen, wie Tabakerzeugnisse und Alkoholika. „Wir prüfen derzeit, wie wir das Alter der Kunden verifizieren können“, sagte Liebermann.

Ein ganz zentraler Punkt bei einem rund um die Uhr geöffneten Laden ist die Videoüberwachung.
Ein ganz zentraler Punkt bei einem rund um die Uhr geöffneten Laden ist die Videoüberwachung. // Bettina Knauth

„Auf vielfachen Kundenwunsch haben wir beschlossen, die Öffnungszeiten mit Personal mindestens bis zum Jahreswechsel so zu belassen wie bisher“, informierte Heubner. Sprich, montags bis freitags von 7.30 bis 18 Uhr und samstags von 7 bis 13 Uhr. Das habe auch mit einem „sich vergrößernden Einzugsgebiet“ zu tun. Außerhalb dieser Zeiten reicht nun eine durch Geldabheben bereits aktivierte Giro- oder Kreditkarte.

Sie wird kurz an den rechts von der Eingangstür angebrachten Scanner gehalten. Das funktioniert auch mit Smartphone oder -watch, sofern diese mit der Karte verknüpft sind. Jeder, der den Markt betritt, soll sich auf diese Art einzeln anmelden. Heubner: „Außer Kindern unter 14 Jahren, die können natürlich mit hineingenommen werden.“ Die Kartennummern werden registriert, jeder Kunde per Videoüberwachung erfasst. Auch im Markt wird das Geschehen via Kameras dokumentiert. Darauf weist ein Schild am Eingang hin. Die Aufnahmen werden 14 Tage lang gespeichert und ebenso wie Kartendaten bei rechtlich relevanten Vorfällen an die Polizei übergeben. Kommen soll noch ein Vordach, damit die Kunden beim Registrieren nicht im Regen stehen.

Einkaufen ohne Zeitdruck

„Einkaufen in Ruhe, ohne Zeitdruck in den Abendstunden oder schnell noch etwas mitnehmen, bevor es auf die Arbeit geht: All das ist jetzt möglich“, sagt der Hauptgesellschafter. Dass dies auch am Sonntag möglich ist, dafür dankte Heubner der Gemeinde. So könne selbst der Soßenkuchen zum perfekten Sonntagsbraten noch schnell besorgt werden. Auf Backwaren, Obst und Gemüse sowie Käse und Wurst müssen die Kunden dann ebenfalls nicht verzichten: Es gibt vieles auch ohne die Frischetheken abgepackt, etwa im Kühlregal. Einen großen Vorteil sieht Liebermann nicht nur in den Frischetheken und der „gewissen Größe“ des Marktes, sondern auch in der Flexibilität der Verantwortlichen: „Wir sind nah dran an den Kunden und können schnell auf deren Wünsche eingehen.“

Das gilt selbst für die Erreichbarkeit: Wer aus den Ortsteilen keine Chance hat, zum Kaltenbrunner Laden zu kommen, kann den Fahrdienst nutzen, den die Gemeinde am Donnerstag anbietet. „Bisher nehmen diesen nur Gleußener Bürger Service in Anspruch“, berichtete Liebermann, er könne aber auf Anfrage ausgedehnt werden.

Der Aufforderung Heubners, die neuen Einkaufsmöglichkeiten inklusive der ungewohnten Art des Bezahlens zu üben, kamen am Samstag sogleich mehrere Bürger nach. Andere hatten bereits die Testphase in der vergangenen Woche genutzt. „Manche kamen um 5 Uhr früh, andere um 23 Uhr am Abend“, berichtete Heubner. Dabei wurden auch viele Nachfragen geklärt. Etwa, was passiert, wenn sich ein Artikel nicht scannen lässt oder aus Versehen zweimal gescannt wurde. In beiden Fällen muss sich der Kunde bei nächster Gelegenheit an das Personal wenden.

Itzgrund-Gutscheine einlösbar

Waren mit nicht erfassbarem Barcode werden sogleich links in einen Korb abgelegt. Mit Bargeld kann aus Sicherheitsgründen nicht bezahlt, aber Itzgrund-Gutscheine mit einem Barcode können eingelöst werden (eventuelle Restbeträge gehen dank Bondrucker nicht verloren). „Ich bin sehr von der Struktur des Ladens überzeugt“, sagte Viktor Porzelt. „Das ist ein einfaches Einkaufen, wie man es sich wünscht.“ Gerade junge Leute und Familien schätzen Heubner zufolge das neue Konzept, aber auch Senioren machten sich damit vertraut.

„Wir Bürger stimmen ab, wie es funktioniert“

Die Einrichtung des Itzgrundmarktes war 2017 eine der ersten Aktionen der Dorferneuerung in Kaltenbrunn. Das Amt für Ländliche Entwicklung steuerte dazu rund 150.000 Euro bei. „Es ist schön, dass es hier jetzt mit diesem neuen Konzept weitergeht“, sagte Andrea Hofmann, die Vorsitzende der Teilnehmergemeinschaft.

Für die Bürgermeisterin zeigte die Einrichtung schon damals, was im Zusammenspiel von Gemeinde (Erwerb des Gebäudes) und Bürgern (Zeichnen der Anteile) möglich ist. „Nun macht es mich ein wenig stolz, dass wir so einen zukunftsfähigen Markt haben“, meinte Liebermann. In Oberfranken ist Kaltenbrunn Hofmann zufolge Vorreiter dieser Art der Nahversorgung. Auch aus dem Nonfood-Bereich haben laut Martin Schmitz, Wirtschaftsförderer des Landkreises Coburg, Unternehmer bereits großes Interesse am Konzept gezeigt.

Was läuft hier besser?

Während andernorts im Coburger Land – etwa in Heilgersdorf und Rossach – die Dorfläden längst Geschichte sind und der MIO im benachbarten Untermerzbach ums Überleben kämpft, stellt sich der Itzgrundmarkt neu auf. Was läuft hier besser? „Es braucht immer Kümmerer, denn jeder Laden geht durch Wellen“, weiß Schmitz. Liebermann bestätigte, die Umleitung etwa führte in Kaltenbrunn zu Umsatzeinbußen.

Funktionieren könne der Dorfladen nur, wenn auch die Bürger hinter „ihrem“ Markt stehen, betonte Landtagsabgeordneter Martin Mittag (CSU). Schmitz sah es genauso: „Wir Bürger stimmen ab, ob es funktioniert oder nicht.“ Wenn nur noch der „Signalpreis“ zähle, könnten sich solche Geschäfte nicht halten. Der 24/7-Markt ist für Landrat Sebastian Straubel „Zeichen der lebendigen Dorfgemeinschaft“: „Die Teamleistung ist hier definitiv gelungen.“ Durch seine ständige Verfügbarkeit mache der Laden das Leben im ländlichen Raum ein Stück weit leichter.

„Wir wollen auch weiterhin schwarze Zahlen schreiben, damit keine finanziellen Belastungen auf die Gemeinde zukommen“, versicherte Geschäftsführer Porzelt. Rund 150 stille Gesellschafter gibt es Heubner zufolge aktuell, weitere Anteile könnten gezeichnet werden.

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