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Comedy
Anzügliche Witze und andere Peinlichkeiten
Jan van Weyde
Ein Comedian ohne Gürtellinie - den Coburgern gefiel es. // Kristina Rauscher
Signet des Fränkischen Tags von Kristina Rauscher Fränkischer Tag
Coburg – Comedian Jan van Weyde begeistert sein Publikum in Coburg mit anzüglichen Witzen, lustigen Horrorgeschichten und Fäkalien belasteten Peinlichkeits-Erzählungen.

Quasseln kann er. Rund zweieinhalb Stunden lang erzählte der Comedian Jan van Weyde am Samstagabend im Coburger Gemeindezentrum St. Augustin aus seinem Geistesleben als Großstädter und gab Einblick in das private Leben als Vater zweier Töchter.

Dabei spielte er mit teils derben Sprüchen, beschwor ganz und gar nicht gesellschaftsfähige Szenen herauf und quatschte sich mit seinem kindlichen Charme auch dann nicht um Kopf und Kragen, wenn er verwirrte Seniorinnen und Hunde zum Mittelpunkt seiner Witze machte. Weyde schaffte es, dass sich der ein oder andere der rund 80 Besucher bereits nach 20 Minuten Lachtränen aus den Augen wischte.

Gemeinsamkeiten mit Köln

Mit den Worten „Schön beige hier“ klinkte sich der Comedian in die Atmosphäre des Gemeindezentrums ein, dessen einsamer Gummibaum für Weydes Dschungel-Camp-Scherze herhalten musste. Gemeinsamkeiten waren zwischen Coburg und Köln waren schnell gefunden, aber genau darin kam auch der Unterschied zum Vorschein: „In Coburg ist ,Die Kiste' ein Familienzentrum, in Köln ist das ein Puff“, stellte er klar, dass Weltbilder sehr verschieden sein können und baute darauf den Abend auf.

von Weyde
Brachte die Coburger zum Lachen: Comedian Jan van Weyde. // Kristina Rauscher

Gerne ging es dabei ums Onanieren und das unter anderem mit einem neidischen Blick auf Garnelen, weil diese Tiere seiner Meinung nach mit sechs Armen ganz andere Möglichkeiten hätten als Weyde selbst. Doch es standen auch Konsolen-Spiele, Flamingos, Tod, Geburt und Religion zur Debatte. Aber auch die Erlebnisse des Großstädters in ländlichen Regionen. „Das ist da, wo Google Maps mich fragt, wo es hin soll“, konkretisierte er und wunderte sich über inzestuös geführte Landhotels, die mit Radio statt Internet punkten wollen und ihren Gästen in Corona-Zeiten mit selbst gestrickten Masken aus der Patsche helfen.

Aber auch die Kölner kommen bei Weyde nicht besser weg. Wenn der Angestellte eines Autohauses unter unbekannter Nummer anruft und dem Unwissenden mit geheimnisvoller Männerstimme erklärt, dass Flüssigkeiten ausgetauscht und die Zündkerzen poliert worden sind, dann klingt das auf andere Weise speziell.

Wie man drüber spricht

Generell kommt es sowieso darauf an, wie man über Dinge spricht, selbst bei Konsolenspielen wie Super Mario. In der Geschichte zweier italienischer Klempner, die mit Schildkröten um eine Prinzessin kämpfen, die Pfirsich heißt, und in der Kanalisation Pilze essen, erkennt Weyde eher die spontane Eingebung eines Spieleentwicklers nach einem durchzechten Wochenende als ein lange durchdachtes Konzept. „Ich bin total arrogant und schlecht im Spielen, aber ich spiele gerne“, gibt er zu und macht sich auch liebend gerne zum Mittelpunkt seiner Tiraden, die wohlüberlegter Teil des Programmes sein können, aber durchaus auch ad hoc zu sprudeln scheinen.

Erfinder von Beruf

Seinen Beruf hat Weyde nicht verfehlt. Wäre es nach seinem frühkindlichen Drang gegangen, wäre er zwar Erfinder geworden, weil ihn die Ideen aus der Garage faszinierten. Oder Busfahrer, denn so wäre er auf den großen Sitz und an die Knöpfe der Macht gelangt, die mit einem zischenden Geräusch die Türen schließen, und hätte fremde Menschen dabei beobachten können, wie sie durch den Regen rennen. Wie er dem Publikum verriet, stand auch „Kassiererin“ – Menschen an der Kasse waren seines Weltempfindens nach immer weiblich – auf seiner Berufswunschliste, aber auch Autoscooter-Angestellter oder Müllmann. Hier spekulierte er, was wohl die weibliche Berufsbezeichnung dazu wäre und kramte schließlich „Müllf“ aus seinen Gedanken. IT beschreibt für Weyde auch weniger einen Job, stattdessen lässt es Stephen Kings bösartigen Clown in seiner Fantasie erwachen.

Seine tatsächlichen beruflichen Entscheidungen haben Weyde nach seiner Schauspielausbildung unter anderem zu Kinofilmen gebracht. Unter anderem ist er in „Schatz, nimm du sie!“, „Antonio, ihm schmeckt’s nicht!“, oder in „Nicht mein Tag“ auf der Leinwand zu sehen. Serienfans kennen ihn vor allem aus „Sturm der Liebe“ oder „Wilsberg – Falsches Spiel“. Außerdem ist er als Sprecher der Dating-Show „Temptation Island – Versuchung im Paradies“ auf RTLplus zu hören und war als Teilnehmer der vierten Staffel „LOL – Last One Laughing“ von Bully Herbig dazu verdammt, sich das Lachen zu verkneifen.

Von Hunden und Kindern 

Das wäre auch den Besuchern am Samstag in St. Augustin sehr schwergefallen und spätestens die Ausflüge in die Welt eines Familienvaters und Hundebesitzers hätte es nahezu unmöglich gemacht. So führte Weyden die Kindertheateraufführung der Grundschule in der Turnhalle vor Augen, die bereits bei der Planung große Selbstbeherrschung verlangt – „nicht wegen der Kinder, wegen der Eltern!“ - und die schon bei kleinsten Entscheidungen die Antipathien unter den Anwesenden deutlich hervortreten lässt. Zum Beispiel dann, wenn die spirituell-antiautoritäre Mutter erst nach langer durchgeistigter Innenschau auf die Frage, ob die Kinder geschminkt werden sollen, antwortet: „Ne, kommt ein Nein rein.“ Oder wenn sich der dazugehörige Mann, der Zehenschuhe trägt und mit dem Liegefahrrad eingetroffen ist, als „Fillip, mit F nicht mit P“ vorstellt. Er wird von Weyden mit sofortiger Wirkung einfach „Phillif“ genannt. Auch dem Sohn der beiden, Sophokles, der sich zur Aufführung schließlich selbst schminkt und aussieht, als hätte er „nach seiner Paintball-Hinrichtung mit Ronald McDonald geknutscht“, werden nur wenig Sympathien entgegengebracht.

Weyde kassiert von den Coburger dagegen jede Menge Lacher. Er deklariert den Grünstreifen an der Straße vor seiner Wohnung kurzerhand zur „Kot-d’Azur“ für Hundebesitzer, stellt den Mops als Paarungsversuch eines Wolfes mit einem Meerschweinchen dar und ahmt die gealterte Hundedame der Familie beim Verrichten der Notdurft nach.

Seine Gedankensprünge führen über den die Hunderasse Mops zu Jesus, über Träume zu Geburt und Tod, von Kinderbüchern zu Skeletten und extrahieren den Horror der Märchenwelt in die Umgebung eines Freizeitparks, aus dem selbst „Chucky, die Mörderpuppe, schreiend nach Hause gerannt wäre“.

Beim Anblick einer Rapunzel-Figur mit verrutschter Perücke, hoher Stirnglatze, fehlendem Unterkiefer und Drähten, die aus seinem Auge quellen, wäre das Chucky auch nicht zu verübeln. Eine Warnung suche man in dem Vergnügungspark, den die Familie Weyde seit Generationen besuche, ohne Veränderung oder Spuren von Reparaturen zu erkennen, vergeblich. Disney, der zu Anfang seiner Filme gerne die Eltern der kindlichen Hauptpersonen sterben ließe, setze dagegen wenigstens ein „+, ein Kruzifix“ hinter den Namen des TV-Kanals.

Manche von Weydes Gedankenblitzen prallen erfrischend harmlos aufeinander: „Flamingos haben ihre Knie falsch rum. Schon mal versucht, für einen Flamingo einen Stuhl zu basteln?“ oder „Mein Hund hat einen Wellensittich verschluckt, jetzt ist er ein Bellensittich.“ Doch das sind nur kurze Momente in der Welt voller anzüglicher Witze, lustigen Horrorgeschichten und Fäkalien belasteten Peinlichkeits-Erzählungen aus dem Geistesleben eines Großstädters.

Wer Jan van Weyden am Samstag nicht live erleben konnte, hat unter anderem am 28. April in den Bamberger Haas-Sälen die Gelegenheit dazu. Doch auch in St. Augustin stehen schon die nächsten Künstler in den Startlöchern. Zum Beispiel präsentiert Christine Eixenberger am 2. März ihr Programm „Einbildungsfreiheit“ und am 26. April feiert „Die Puderdose“ ihren „Weiberabend“.

 

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