Miss Universe trägt ein ausgemustertes Shirt ihres Trainers. „Klamotten shoppen war ich seit Jahren nicht“, erzählt Tiffany Ritter. „Ich brauche nur mein Sportzeug und was Bequemes.“ Das Leben einer 26-jährigen Bodybuilderin, die in Bangkok zur „Miss Pro Figure Universe“ gekürt wurde, ist eher praktisch als extravagant.
Dummheit und Dope: Ist das nicht das gängige Bodybuilder-Klischee? Tiffany Ritter formuliert es so: „Blöde Stoffer – mit diesem Stempel ist unser Sport gebrandmarkt.“ Ob sie das ärgert? „Ach“, antwortet sie schulterzuckend, „im Grunde ist es mir egal.“ Sie kennt das: Ihr breites Kreuz, ihr muskelbepackter Körper, ihre Tattoos polarisieren. „Aber was soll’s? Ich selbst weiß ganz genau, was ich leiste. Jetzt, nach meiner ersten Profi-Saison, bin ich so glücklich wie noch nie.“
In der „Figurklasse“ wurde die Pegnitzerin heuer erst Süddeutsche Meisterin, dann Deusche Meisterin und schließlich sogar Europameisterin. Ende Juli die Krönung: In Bangkok gewann sie den internationalen Titel „Miss Pro Figure Universe“.
Von 75 auf 58 Kilo
Tiffany hat die Muskulatur in Armen, Beinen und Rumpf perfekt herausgearbeitet, „gut definiert“ sagen Sportler dazu. Dafür trainiert die 1,70 Meter große Physiotherapeutin, die in der Pegnitzer Klinik arbeitet, nicht nur täglich im Fitnessstudio. In der Vorbereitung auf die Wettkämpfe trimmt sie ihren Körper, der in der Regenerationsphase um die 75 Kilo wiegt, mit einem strikten Diätplan auf 58 Kilo.
Früher hat Tiffany gern getanzt, heute lässt sie die Muskeln spielen.
In der Woche vor dem Wettkampf – der Peak-Week – isst sie nur pures Hühnchenfleisch und trinkt täglich zehn Liter Wasser, Brennnessel- oder Hafertee. An den beiden Tagen vor dem Bühnenauftritt reduziert sie die Trinkmenge von zehn auf drei beziehungsweise 1,5 Liter, am Wettkampftag gibt es nur noch einzelne Schlucke. „Ich zwinge meinen Körper zum Dehydrieren. Er zieht dadurch Flüssigkeit aus Muskeln, aber auch Augäpfeln und Gehirn.“ Die Diät ist so extrem, dass Haarausfall droht, das Zahnfleisch zurückgeht, die Menstruation aussetzt. Warum tut sie sich das an?
Ihre grün-brauen Augen blitzen begeistert, wenn Tiffany Ritter die Frage frei von der Leber weg beantwortet. „Ich habe Sport schon immer geliebt, klettern, reiten, schwimmen, Hiphop und Street-Dance – da bin ich mit Detlef Soost sogar süddeutsche Meisterin geworden. Aber gecatcht hat mich Bodybuilding. Nur da kann ich meinen Körper genau so formen, wie ich will.“
Haben die Männer Angst vor Tiffany Ritter? ;-)
Blutwerte analysieren
Als zierlich-zerbrechliches Mädchen wollte sie nie gesehen werden. „Ich war an Fasching lieber Dino als Prinzessin.“ Oder noch besser: Superheldin. Als 17-Jährige ging die gebürtige Baden-Württembergerin ins Fitnessstudio. Sie trainierte hart. Ein halbes Jahr lang nahm ihr Vater, ein Ringer, sie unter seine Fittiche. „Er hat mich immer angespornt: ’Gib 111 Prozent, 100 Prozent kann jeder.’“ Dann förderte Trainer Detlef Schmidt die junge Frau, brachte sie zum ersten Bühnenwettkampf. „Da habe ich Blut geleckt.“
Die 26-Jährige stellt klar: „Ich bin wahnsinnig froh, dass ich ’ne Frau bin.“ Aber der Umgang mit Männern falle ihr „viel leichter“ als der mit Frauen. „Insofern kommt mir der männerdominierte Sport entgegen.“
Auf Instagram bekommt sie viele Komplimente – nicht selten von Männern –, aber es gibt auch Leute, die wissen wollen, „welcher Stack da drin ist, welche Anabolika“. Grundsätzlich findet Tiffany diese direkte Art super – „Ich hasse Getuschel!“. Wenn jemand sie nur provozieren oder mobben will, dann schaltet sie jedoch ab. „Aber vorher drück’ ich noch ’Gefällt mir’, um zu zeigen, wie wurscht mir das ist.“
Statt auf „Stoff“ setzt sie auf die 111 Prozent – die Devise ihres Vaters, die sie sich auf den Unterarm hat tätowieren lassen. „Ich trainiere nicht nur mit Gewichten, sondern auch mit Gedanken. Das Mentale macht ganz viel aus.“ Sie kämpfe nicht gegen ihren Körper. Und sie lasse ihn auch nicht künstlich ändern, etwa durch Brustimplantate. Einen großen Busen gebe es bei Bodybuilderinnen nur mit Implantaten, denn durch das Training verschwinden alle Fettpolster. Tiffany verurteilt Schönheits-OPs nicht, aber sie sind nicht ihr Weg. „Ich möchte mit meinem Körper zusammenarbeiten, um eine Vision zu erreichen.“ Diese Vision lautet: „Jeden einzelnen kleinen Muskel des Körpers gezielt ansteuern zu können – das wäre mega.“
Trainer Detlef Schmidt und Co-Trainer Sascha Flad, ihr Ex-Freund, finden, dass sie auf einem guten Weg ist, aber gerne noch etwas ruhiger werden könnte. „Vor Wettkämpfen bin ich ein Nervsack“, gibt die Fränkin zu. „Jede Kleinigkeit muss da stimmen.“ Täglich trainiert sie stundenlang in der Pegnitzer „Sportwelt“, penibel hält sie Diät. „Ich kann die Nährwerte aller Lebensmittel im Schlaf herbeten.“
111 Prozent eben? Tiffany nickt, aber sie weiß aus eigener Erfahrung: „Man kann nicht immer überm Limit laufen. Sonst gehen irgendwann alle Lichter aus.“ Lernen, auf den Körper zu hören – das sei die große Kunst. Humor statt Verbissenheit. Sie ist froh, dass ihr Coach „ein Gesundheitsfanatiker“ ist. Regelmäßig lässt er Tiffanys Blutwerte kontrollieren, um Mangelerscheinungen vorzubeugen.
Was ist das Wichtigste im Leben? Tiffany Ritter sagt:
Lang und hart war die Diätzeit heuer. Von Silvester bis August wurde alles genau abgewogen: morgens Haferflocken mit Walnüssen, Eiweißpulver und etwas Apfel, über den Tag verteilt Reis, Gemüse, Eiweiß-Shakes, Huhn. „Toll war, als ich nach Bangkok wieder mal mit Freunden Pizza und Burger futtern konnte. Ich liebe Essen! Aber richtig reinhauen, das geht nur in der Regenerationsphase.“
Natürlich möchte sie ihren Miss-Universe-Titel verteidigen: „Ich will mein Kreuz noch ein bisschen breiter und die Oberschenkenrückseite noch definierter kriegen.“ Aber sie weiß: Die Welt geht auch nicht unter, wenn es nicht klappen sollte. „Jeder hat Stärken und Schwächen. Jeder ist auf seine eigene Art toll. Nur das ist wichtig.“ Das hat sie sich – verkürzt – sogar hinters Ohr geschrieben: „perfectly imperfect“. Mit diesem tätowierten Motto steuert Tiffany Ritter ganz lässig auf neue Muskelspiele zu.
Tiffany ist so richtig glücklich, wenn...