Gute Gespräche an der neuen Kochinsel – die Frauen aus der Ukraine kochen oft gemeinsam.
Gute Gespräche an der neuen Kochinsel – die Frauen aus der Ukraine kochen oft gemeinsam. // Judith Rziha
„Villa Zuflucht“: Wo die Küche ein Stück Heimat ist
Signet des Fränkischen Tags von Redaktion Fränkischer Tag

Mit 6000 Euro hat der Spendenverein „Franken helfen Franken“ eine neue Kochinsel für ukrainische Familien finanziert.

 //  Stadtsteinach

Um den Begriff „Heimat“ ranken sich viele schmalzigen Postkarten-Sprüche – „Home is where your heart is“ ist nur einer von ihnen. Es gibt Menschen, für die tragen alltäglichste Dinge ein Stückchen Heimat in sich – und dies völlig abseits der genannten Postkartenromantik. In Stadtsteinach in der „Villa Zuflucht“ ist dies der Fall. Dort leben aktuell 17 Frauen, die mit ihren 16 Kindern vor dem Kriegstreiben aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind.

Die „Villa Zuflucht“ in Stadtsteinach ist Heimat für ukrainische Familien.
Die „Villa Zuflucht“ in Stadtsteinach ist Heimat für ukrainische Familien. // Judith Rziha

Ein Teil von ihnen schart sich heute in der großzügigen Küche um die Kochinsel. Auf dem neuen Herd steht ein riesiger Top mit dampfendem Borschtsch, einem landestypischen Eintopf, der nach ukrainischem Originalrezept gekocht wurde. Den großen Tisch im direkt angrenzenden Esszimmer haben die Frauen liebevoll gedeckt, mit Blumen geschmückt und dort ebenfalls ukrainische Leckereien vorbereitet: Hefegebäck mit Apfelfüllung, Nalistniki – das sind mit Quark gefüllte dünne Pfannkuchen – und weitere Speisen und Getränke.

Mit einem Blumenstrauß bedankten sich die Frauen.
Mit einem Blumenstrauß bedankten sich die Frauen. // Judith Rziha

6000 Euro gespendet

Mit dem festlichen Mahl wollen die Bewohnerinnen der „Villa Zuflucht“ ihren Dank ausdrücken für die neu eingebaute Kochinsel, auf der sie mit viel Liebe die Speisen zubereitet haben. Geladen sind Walter Schweinsberg, Geschäftsführer der Mediengruppe Oberfranken, zu der auch die Bayerische Rundschau gehört, und Jessica Nickel, Pressesprecherin der Mediengruppe. Beide sind in Personalunion Vorstandsmitglieder bei „Franken helfen Franken“, dem Spendenverein der Mediengruppe, der mit einer Spende von 6000 Euro die neue Kochinsel finanziert hat.

Walter Schweinsberg (Vorsitzender des Vereins „Franken helfen Franken“) übergibt das rote Schwein als Symbol an den Vorsitzenden der „Opferhilfe Oberfranken“, Alfons Hrubesch. Mit im Bild  daneben Jessica Nickel und die geflüchteten Frauen.
Walter Schweinsberg (Vorsitzender des Vereins „Franken helfen Franken“) übergibt das rote Schwein als Symbol an den Vorsitzenden der „Opferhilfe Oberfranken“, Alfons Hrubesch. Mit im Bild daneben Jessica Nickel und die geflüchteten Frauen. // Judith Rziha

Die alte Kochinsel und die dort verbaute Herdplatte waren kaputt gegangen. Man hatte mit Provisorien – mobilen Kochplatten - versucht zu überbrücken. Für die 33 Bewohner und Bewohnerinnen eine zunehmend untragbare Situation.

Beeindruckt und dankbar

Alfons Hrubesch, Vorsitzender der „Opferhilfe Oberfranken“, die die „Villa Zuflucht“ in Stadtsteinach unterhält, zeigt sich bei der Übergabe der Spende beeindruckt und dankbar: „Wir haben kurz nach unserer Anfrage an ,Franken helfen Franken’ die positive Rückmeldung bekommen, dass der Spendenverein die Kosten für eine neue Kochinsel komplett tagen wird. So konnten wir direkt einen Handwerker beauftragen und die unzureichende und auch gefährliche provisorische Kochlösung schnell ersetzen. Wir haben noch nie so unkompliziert Hilfe erfahren wie in diesem Fall und ich danke im Namen aller Bewohner und Bewohnerinnen ganz herzlich dafür!“.

Das rote Spendenschwein ist bei den Übergaben von „Franken helfen Franken“ immer mit dabei.
Das rote Spendenschwein ist bei den Übergaben von „Franken helfen Franken“ immer mit dabei. // Judith Rziha

Die ukrainischen Frauen schließen sich dem Dank sichtlich gerührt an und überreichen 33 weiße Tulpen mit der ukrainischen Flagge zu einem Strauß gebunden an Jessica Nickel. Die weißen Tulpen sind ein Zeichen des Widerstands gegen den russischen Angriffskrieg. In ihrer russisch besetzten Heimat der Ukraine ist es verboten, diese Blumen öffentlich zu zeigen, wie die Frauen dank Unterstützung von Dolmetscherin Swetlana erklären.

17 kleine Familien müssen sich organisieren

Die Kochinsel bedeutet für die 17 kleinen Familien nicht nur die Möglichkeit der täglichen Nahrungsversorgung, erklärt Susanne Werner, ebenfalls Vorsitzende der „Opferhilfe Oberfranken“ und Eigentümerin der „Villa Zuflucht“. Die Frauen finden an der Kochinsel und in den ukrainischen Gerichten, die sie dort zubereiten können, ein Stück ihrer verlorenen Heimat wieder. Sie legen viel Wert darauf, traditionellen Gerichte zuzubereiten, auch um für ihre 16 Kindern zwischen Kindergartenalter und 17 Jahren nach der Flucht eine Verbindung zur Heimat aufrecht zu halten.

Die Frauen können überdies bei gemeinsamen Gesprächen über Kochrezepte und Zubereitungstipps, Haushalt und Privates gemeinsam verarbeiten, was ihnen widerfahren ist. Teils schlimmste Erlebnisse werden so an der Kochinsel aufgearbeitet – und man gibt auch Trauer, Wut und Tränen Raum.

Mann vor ihren Augen erschossen

Da ist zum Beispiel Nina. Sie hatte nach den Angriffen der russischen Eindringlinge im Keller ihres Hauses ausgeharrt. Ihr Mann zog in den Krieg. Als sie ihm bei einem Kurzbesuch ein paar Sachen für die Front übergeben hatte, wurde er direkt vor ihren Augen vor dem Keller erschossen. Sie konnte weder Abschied nehmen noch den Leichnam bestatten, da sie selbst mit Panzern aus dem Keller gerettet werden musste.

Monate später erfuhr sie, dass ihr Mann in einem Massengrab bestattet worden war. Nina beantwortet die Frage von Walter Schweinsberg an die Frauen, ob sie denn wieder in die Heimat zurückwollten, eindrücklich mit „nein“. Andere wollen zurück. Aber das liegt in Anbetracht der aktuellen Situation in der Ukraine noch in weiter Ferne.

Glücksfall für Geflüchtete aus der Ukraine

Heute ist die Heimat in der „Villa Zuflucht“ und viel mehr noch in der Küche rund um die neue Kochinsel. Die Einrichtung der „Opferhilfe Oberfranken“ ist ein echter Glücksfall für die Geflüchteten. Susanne Werner hatte ihr ehemaliges Wohnhaus, das aus ihrer Zeit als Unternehmerin mit Großfamilie inzwischen viel zu groß geworden war, bereits zum Verkauf angeboten, als der russische Angriffskrieg ausbrach. Sofort stoppte sie den Verkauf und begann zusammen mit dem Team der Opferhilfe, für die sie schon langjährig aktiv war, die Räume der 650 Quadratmeter großen Villa in Wohnraum für Geflüchtete umzubauen.

Ein riesiger logistischer wie baulicher Kraftakt wurde vollbracht, bis vor etwas mehr als einem Jahr die ersten Frauen mit ihren Kindern einzogen. Auch danach folgten und folgen bis heute ständige Kraftakte: viel Bürokratie für die Anmeldung der Menschen bei Ämtern und Krankenkasse, Beschaffung gültiger Ausweispapiere, Unterbringung der Kinder in Schulen und Kitas.

All das schafft das Team der Opferhilfe ehrenamtlich. Die Frauen leisten ihren Beitrag, indem sie sich selbst organisieren. Dies geschieht so perfekt, dass sich Projektleitende oder auch kleinere Unternehmen eine Scheibe davon abschneiden könnten.

Zwei Hauptorganisatorinnen

Zwei der Frauen sind die Hauptorganisatorinnen, im ganzen Haus hängen Pläne, die akribisch vorbereitet und auch eingehalten werden, damit das Zusammenleben von 17 wildfremden Erwachsenen und ihren Kindern in dem Haus gelingt. Dusch-, Waschmaschinen-, Kochplan – aber auch ein Plan der Geburtstage oder der Schulplan der Kinder schaffen Regeln und Zusammenhalt. Wie eine riesige Großfamilie, aber mit der nötigen Privatsphäre für die einzelnen Menschen. Es gibt neun Kühlschränke und in der Garage über 30 Fahrräder. Und nun gibt es wieder eine Kochinsel mit zwei großen Kochfeldern. Die Insel, die zu einem Stück Heimat wird, wenn der Bortscht dampft. Den genießen die Vorstände von „Franken helfen Franken“ und versprechen zu helfen, wenn Hilfe benötigt wird in der „Villa Zuflucht“.

So können Sie helfen

Die Mediengruppe Oberfranken (mgo) erreicht über ihre lokalen Tageszeitungen wie der Bayerischen Rundschau sowie digitale Informations- und Service-Portale jeden Tag rund 600.000 Menschen.

Diese Vielfalt nutzt die Unternehmensgruppe, um mit dem Spendenverein „Franken helfen Franken“ seit 2009 Hilfsbedürftige in ganz Franken zu unterstützen. Alle Spenden gehen zu 100 Prozent an in Not geratene Menschen oder gemeinnützige Organisationen und Projekte in der Region. Die Verwaltungskosten übernimmt die mgo. Insgesamt wurde seit 2009 rund eine Million Euro von Franken helfen Franken vergeben.

Spendenkonto 
Mediengruppe Oberfranken – 
Franken helfen Franken e.V. 
Sparkasse Bamberg
IBAN DE62 7705 0000 0302 1945 01 
BIC BYLADEM1SKB

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