Ein kleines Wunder oder zumindest eine große Portion Glück wird es laut der Vogelschützer brauchen, um den Bestand der letzten verbliebenen Kiebitz-Kolonie in der Region zu sichern.
Aufmerksame Naturfreunde können in diesen Tagen im Rotmaintal südlich von Kulmbach Kiebitze bei ihren akrobatischen Balzflügen beobachten. An ihrem Ruf „kiii-wiiitt, kii-wiiitt“ sind sie gut zu erkennen. Wenn die taubengroßen Vögel dann mit dem Nestbau beginnen, warten auf die Vogelschützer arbeitsreiche Wochen, so der LBV.
Früher typisch, heute selten
Früher zu Hunderten in den Flusslandschaften und feuchten Wiesen vertreten, folgte mit der Veränderung der Landschaft ein Niedergang der Kiebitze. Statt in Wiesen bauten die Vögel ihre Nester in Ackerfurchen – und wurden dort oft ein Opfer von Landmaschinen.
Der Kulmbacher LBV weist darauf hin, dass er schon seit vielen Jahren mit einer Reihe von Landwirten zusammenarbeitet. „Es ist eine gute und erfolgreiche Kooperation“, lobt Frank Schneider, der Koordinator des Kiebitz-Projektes: „Viele Landwirte nehmen den Mehraufwand gerne auf sich, um die Vögel zu schützen", sagt er.
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Seit 2015 sind Ehrenamtliche des LBV in jedem Frühling in den potenziellen Brutgebieten unterwegs und beobachten die Kiebitze. Sobald offensichtlich ist, dass eine Henne ein Nest gebaut hat, wird die Stelle markiert. Der Landwirt kann dann bei der Feldbearbeitung die Stelle umfahren, um das Gelege nicht zu zerstören.
All die Rücksicht freilich hilft oft nichts. „In manchen Jahren gab es trotzdem keine Jungvögel, weil der Fuchs auf dem Acker unterwegs war und das Gelege gefressen hat“, weiß Schneider. Die Zahl der Kiebitze sei in den letzten Jahren im Rotmaintal stetig zurückgegangen. „Wir mussten befürchten, dass die Kiebitze bald ganz aus unserer Landschaft verschwinden.“
Der LBV hat deshalb einiges an Geld in die Hand genommen und im letzten Jahr einen Elektrozaun angeschafft. Der sollte den Fuchs von den Nestern fernhalten – zumindest auf einer der möglichen Brutflächen. Der Zufall wollte es, dass sich zehn oder vielleicht auch mehr Kiebitz-Paare entschieden, auf einem einzigen Acker ihre Nester zu bauen – und mit einem einzigen Zaun geschützt werden konnten.
Für die Vogelschützer bedeutete das eine Menge Arbeit. Der Zaun musste täglich kontrolliert, aufwachsendes Gras geschnitten werden, bevor es die Stromlitzen berührte. Dazu kamen die Einsätze gemeinsam mit dem Landwirt, dem der Acker gehört. Der wollte dort Mais ansäen, musste also eggen, säen, später striegeln, um das Unkraut in Schach zu halten. Immer waren die LBV-ler mit dabei, marschierten vor und neben den Maschinen die Fahrspuren ab, damit auch ja kein Nest übersehen wurde.
Wunder: Viele Jungvögel werden flügge
Und dann ereignete sich das kleine Wunder – oder zumindest das große Glück: 15 bis 18 Jungvögel wurden flügge. Dazu kam Erwin. Der schlüpfte aus einem Ei, das in einem verlassenen Gelege gefunden und im Haus eines Vereinsmitglieds in einem Brutapparat ausgebrütet wurde. Erwin entwickelte sich prächtig – und schloss sich im Spätsommer der Kiebitz-Kolonie auf dem Acker im Rotmaintal an.
So hätte es wohl auch in diesem Jahr weitergehen können. Allein: Die Gesetzgebung hat ihre Tücken. Landwirte müssen auf ihren Flächen eine Fruchtfolge einhalten. Das heißt: Wo im letzten Sommer Mais gewachsen ist, darf in diesem Jahr keiner mehr wachsen. Der Landwirt kündigte an, in dieser Saison dort Wintergerste anzubauen.
Das könnte für die Kiebitze ein Problem werden. Die sind nämlich nicht nur ausgesprochen standorttreu und kehren meist in jedem Frühling auf genau das Feld zurück, das sie im Herbst zuvor verlassen haben. Sie brauchen auch eine offene Fläche. Wintergerste aber ist im März schon so hoch gewachsen, dass das Feld für Nestbau nicht mehr geeignet ist. Ob die Vögel auf einen benachbarten Acker ausweichen würden? Diese Prognose mochte niemand stellen.
Landwirt ist sehr kooperativ
Wieder einmal erwies sich der Eigentümer des Ackers als überaus kooperativ: Über die ganze Länge des Feldes hat er mittlerweile die junge Gerste untergepflügt, so dass die Kiebitze, die sich seit etwa zwei Wochen in der Gegend tummeln, wohl ausreichend Platz für ihr Brutgeschäft vorfinden. Für diese Aktion wird der Landwirt aus Naturschutzmitteln finanziell entschädigt. Dennoch: „Selbstverständlich ist so ein Entgegenkommen nicht“, weiß Frank Schneider.
Wichtig: Hunde an die Leine nehmen
An alle Spaziergänger, Jogger und Gassigeher im Rotmaintal appelliert Schneider, ab sofort unbedingt auf den Wegen bleiben und natürlich Hunde an die Leine nehmen, um die brütenden Vögel nicht zu stören.
Für die Zukunft hat Schneider eine große Vision: „Vielleicht gelingt es uns, mit einer finanziellen Entschädigung für die betroffenen Landwirte, jedes Jahr die gleiche Fläche vorzuhalten, damit die Kiebitze immer wieder ihr angestammtes Brutgebiet vorfinden.“
Hoffnung auf Wiederholung des Wunders
Vorerst einmal gilt es jedoch, das Kiebitz-Jahr 2025 gut zu überstehen. Das heißt für die Vogelschützer des LBV: Kiebitze beobachten, Nester markieren, Feldarbeit begleiten, den Zaun aufbauen, pflegen und kontrollieren – und ganz fest die Daumen drücken, dass sich das kleine Wunder – oder zumindest das große Glück – von 2024 wiederholt und die Kiebitz-Kolonie im Rotmaintal wieder ein kleines bisschen wächst.