An der Veste hat sich einst sogar Wallenstein die Zähne ausgebissen. Aber im August 2022 wurde Coburgs mächtige Burganlage dann doch „eingenommen“. Die „Truppe“, die mehr als 500 Kinder stark war, kam aber mit sehr friedlichen Absichten. Es handelte sich nämlich um eine weitere Großveranstaltung der Initiative „Kirche Kunterbunt“, die ihren Ursprung in England hat, mittlerweile in über 30 Ländern existiert und sich seit 2020 auch in Coburg einer enormen Beliebtheit erfreut.
Gemeinschaftsgefühl bei der Kirche Kunterbunt
„Zwischen 300 und 500 Teilnehmer sind es eigentlich immer“, erzählt Bertram Unger, „damit liegen wir in Deutschland ganz vorne!“ Bertram Unger, der 2023 auch einen CVJM-Kreis in Coburg gegründet hat, gehört zu den Gründungsvätern der Coburger „Kirche Kunterbunt“. Er und viele weitere Ehrenamtliche haben es binnen weniger Jahre geschafft, nicht nur eine neue Veranstaltungsform auf die Beine zu stellen, sondern auch regelmäßig für ein wohliges Gemeinschaftsgefühl zu sorgen.
„Die Menschen suchen Gemeinschaft“, sagt Evi Heinke, die seit September 2024 eine Teilzeitstelle bei der „Kirche Kunterbunt“ in Coburg übernommen hat – finanziert über ein Förderprogramm der evangelischen Landeskirche. Spätestens an dieser Stelle drängen sich Fragen auf: Was genau passiert eigentlich bei der „Kirche Kunterbunt“? Wer steckt mit welcher Motivation dahinter? Und, vor allem: Warum fährt die evangelische Kirche an etlichen Stellen einen strikten und bisweilen schmerzhaften Sparkurs, unterstützt aber zugleich Personal, das beim Organisieren von Events hilft?
Simone Röger, deren Mann Pfarrer in St. Johannes in Coburg ist, weiß um den besagten Sparkurs. Sie stellt aber auch unmissverständlich klar: „Wir brauchen neue Formen von Kirche!“ Denn ebenso wie Bertram Unger und Evi Heinke ist es ihr eine Herzensangelegenheit, kommende Generationen für den Glauben zu begeistern. Mit dem klassischen 10-Uhr-Gottesdienst am Sonntag in der Kirche kann das zwar gelingen. Aber die erste Kontaktaufnahme mit Gott fällt vielleicht leichter, wenn dies bei einer Zusammenkunft an einem anderen Ort geschieht.
„Eine feste Burg ist unser Gott“
„Es geht darum, Glauben zu erleben“, erklärt Simone Röger, „und zwar mit Herz und Hand.“ Der jeweilige Ort, an dem dies geschieht, dürfe dabei auch nicht-kirchlich sein. Wobei sich die Organisatoren immer etwas einfallen lassen, um eine thematische Verbindung zu Gott herzustellen. Die Veranstaltung auf der Veste hatte zum Beispiel das Motto „Eine feste Burg ist unser Gott“. An verschiedenen Stationen konnte erlebt werden, auf welche Weise auch Gott Schutz bietet. Eine andere Veranstaltung fand in der Alten Schäferei in Ahorn statt – Motto: „Gott ist mein Hirte“.
Die Zielgruppe der „Kirche Kunterbunt“ sind Familien mit Kindern zwischen null und zwölf Jahren. Die Initiative ist ökumenisch ausgelegt. In Coburg ist die „Kirche Kunterbunt“ entstanden aus einer Kooperation zwischen dem Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) und der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Coburg. Im großen Team der bis zu 60 ehrenamtlichen Helfer tun sich zwar vor allem die Gemeinden St. Moriz, St. Johannes und Katharina von Bora hervor. Es sind aber auch Mitglieder anderer Kirchengemeinden dabei, unter anderem von der katholischen Gemeinde St. Augustin.
Die Frage, was ihn antreibt, sich für die „Kirche Kunterbunt“ zu engagieren, beantwortet Bertram Unger zunächst mit leiser Stimme: „Der Glauben hat mich und meine Entwicklung sehr geprägt. Diese Erfahrung möchte ich gerne weitergeben.“
„Gottesdienst in seiner ureigensten Form“
Die Stimme von Bertram Unger wird schneller und lauter, wenn er erzählt, welche Wege für dieses „Weitergeben der Botschaft Gottes“ bei der „Kirche Kunterbunt“ gewählt werden: „Es wird gelacht und getanzt, jeder wird aktiv eingebunden, jeder kann kreativ sein – es gibt aber auch stille Momente. Und zum Abschluss wird gemeinsam gegessen.“ Kurzum: Die Idee, „frische Ausdrucksformen von Kirche“ zu bieten, wird in Coburg seit 2020 eindrucksvoll umgesetzt – egal, ob auf der Veste oder in der Alten Schäferei, im Rosengarten oder auch in der Morizkirche. Und immer geht es laut Bertram Unger um das „Erleben von Gemeinschaft und Erleben von Gott“. Somit sei die „Kirche Kunterbunt“ so etwas wie „Gottesdienst in seiner ureigensten Form“.
Für ein noch stärkeres Gemeinschaftsgefühl müsste nach Einschätzung von Evi Heinke auch bei den klassischen, sonntäglichen 10-Uhr-Gottesdiensten gesorgt werden. „Ein Gottesdienst alleine reicht dafür aber oft nicht mehr.“ Wichtig seien deshalb Angebote wie etwa das „Kirchenkaffee“, das es regelmäßig in St. Moriz direkt anschließend noch in der Kirche gibt. „Das Gefühl, herzlich willkommen zu sein, ist wichtig!“
Kirche Kunterbunt: Am 19. Oktober in Neukirchen
Bereits am kommenden Samstag, 19. Oktober, dürfen sich wieder viele Familie bei einer Veranstaltung der „Kirche Kunterbunt“ willkommen fühlen. Sie findet von 10 bis 13 Uhr statt, diesmal in der Jugendbildungsstätte Neukirchen. (Die Teilnahme ist wie immer kostenlos – Anmeldungen per Mail an kikuco.de) Das Motto lautet: „Gott sei Dank!“ Bertram Unger erklärt: „In einer Zeit, in der leider sehr viel gejammert wird, wollen wir uns besinnen und die Frage stellen: Wofür können wir sehr wohl dankbar sein?“ Und, noch konkreter: „Wofür können wir Gott dankbar sein?“ Ihm selbst falle da spontan sehr vieles ein. Zum Beispiel: „Wir können dankbar für die ,Kirche Kunterbunt' sein!“
Tipp Die „Kirche Kunterbunt“ gibt es in Coburg inzwischen auch in einer „erwachsenen Version“. Die nächste Zusammenkunft unter dem Titel „Zeit für Dich – Kirche Kunterbunt für Erwachsene“ findet am Samstag, 16. November, von 18 bis 22 Uhr im Haus Contakt (Untere Realschulstraße) statt. Es gibt – wie bei der eigentlichen „Kirche Kunterbunt“ – verschiedene Stationen, an denen etwas entdeckt, gestaltet oder gespielt werden kann. Ebenso gibt es einen „Raum der Stille“ und eine „Silent-Disco“. Gegen 20 Uhr folgt eine Segenszeit mit Live-Musik, einem Theaterstück und einem „Impuls zum Weiterdenken“, wie es in der Einladung heißt. Veranstalter sind der CVJM Coburg sowie die evangelischen Kirchengemeinden St. Johannes, Katharina von Bora, St. Matthäus (alle Coburg), Scheuerfeld-Weidach, Dörfles-Esbach und Rödental. Weitere Infos unter zfd-co.de
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