0
Kriminalität
„Langfingern“ in Neustadt erfolgreich auf der Spur
Mit diesem Plakat bittet der Rewe-Markt in Neustadt bei seinen Kunden um Verständnis für Vorsichtsmaßnahmen gegen mögliche Ladendiebstähle.
Mit diesem Plakat bittet der Rewe-Markt in Neustadt bei seinen Kunden um Verständnis für Vorsichtsmaßnahmen gegen mögliche Ladendiebstähle. // Phil Böger
Signet des Fränkischen Tags von Phil Böger Fränkischer Tag
Neustadt bei Coburg – Die Zahl der Ladendiebstähle im Zuständigkeitsbereich der Polizei Neustadt ist rückläufig. Dennoch klagen die Händler ihr Leid und ergreifen Maßnahmen. Dienststellenleiter Gerald Storath erklärt, weshalb es sich nicht um Bagatelldelikte handelt.

Im Wirkungskreis der Polizeidirektion Neustadt bei Coburg ist die Zahl der angezeigten Ladendiebstähle erfreulicherweise rückläufig. Zwar kommt es immer noch regelmäßig gerade in den großen Neustadter Supermärkten zu Straftaten, doch im Vergleichszeitraum zum Vorjahr treiben die „Langfinger“ im Frühjahr 2024 deutlich seltener ihr Unwesen.

Eine Auswertung der Ladendiebstähle für den Zuständigkeitsbereich der Polizei Neustadt – also für Neustadt, Rödental, Sonnefeld und Weidhausen – auf Basis der Einlauf- und Einsatzstatistik im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum sowie im Vergleich mit dem Herbst/Winter des Vorjahres brachte klare Ergebnisse: Waren es vom 1. Januar bis 23. April 2023 noch 42 Fälle, registrierte die Polizei vom 1. Januar bis 23. April dieses Jahres lediglich 25 Fälle. Die Tendenz der polizeilich gemeldeten Fälle ist also aktuell stark rückläufig.

Letztlich zahlen es alle Kunden

Trotzdem bedeuten die Vorfälle einen immensen Schaden für die Händler. Grund: Viele Verfahren werden eingestellt und die Anzeigenaufnahme kostet vor allem die Behörden und Unternehmen viel Zeit. Dennoch hoffen die Ordnungshüter, dass jeder vermeintlich noch so kleine Diebstahl zur Anzeige gebracht wird, auch um Wiederholungstaten zu minimieren.

Gerald Storath, Dienststellenleiter bei der Polizeidirektion in Neustadt, hebt warnend den Zeigefinger: „Ladendiebstahl ist eine Straftat und kein Bagatelldelikt, deren Folgen letztendlich alle ehrlichen Kunden mittragen müssen, da die Verluste, die durch Ladendiebstahl entstehen, in aller Regel auf die Verkaufspreise wieder aufgeschlagen werden.“

Ladendiebstähle (Foto nachgestellt) beschäftigen derzeit den Handel in Neustadt.
Ein Ladendieb, der über die Sommermonate immer wieder erwischt worden war, sitzt jetzt in U-Haft. // Symbolbild: Phil Böger

„Fangprämien“ – ohne Polizei

Wie hoch die Dunkelziffer im Bereich des Ladendiebstahls ist, kann nach Aussagen Storaths aus polizeilicher Sicht nicht beziffert werden. Der Handelsverband Deutschland benennt diese mit etwa 90 Prozent. „Das würde bedeuten, dass nur etwa zehn Prozent aller Ladendiebstähle polizeilich bekannt werden“, erklärt Storath. Auch sei es möglich, dass Geschäfte nicht alle Ladendiebstähle zur Anzeige bringen, sondern diese Straftaten durch eigene Programme wie Fangprämien oder Ähnliches selbst regeln.

Diebstahl kurz vor Ladenschluss

Eine Verkäuferin in dem Neustadter Edeka in der Coburger Straße klagt ihr Leid: „Es ist immer ärgerlich und passiert einfach zu häufig.“ Erst kürzlich hätten sie und ihre Kollegen kurz vor Ladenschluss gegen 19.45 Uhr wieder einen Dieb auf frischer Tat ertappt. „Das Ganze zieht sich natürlich dann eine Weile hin. Bis die Polizei kommt und die Aussagen aufgenommen sind.“ An diesem Tag war es nach dem langen, harten Samstag schließlich kurz vor 21 Uhr, bis die Verkäuferinnen nach Hause gehen konnten.

Und dann gebe es auch noch reichlich Fälle, in denen es nicht reibungslos abläuft. Immer wieder käme es nämlich vor, so eine Angestellte, dass die Räuber plötzlich aus dem Laden stürmen und versuchen zu entkommen. „Doch es wird ja jede Ecke bei uns mit Videokameras überwacht. Oft hätten Täter bei der Flucht keine Chance und werden wenig später von der Polizei gefasst“, berichtet sie aus Erfahrung.

Dabei macht die langjährige Verkäuferin kein Hehl daraus, dass ihr der eine oder die andere Täter/in sogar ein Stück weit leid tut. Das Täterspektrum bewegt sich nach Angaben des Neustadter Polizeichefs durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten. „Bei uns sind es meistens junge Leute zwischen 16 und 22 Jahren. Junkies, Obdachlose und Alkoholiker werden öfters erwischt. Sie packen eine Tasche voll, bezahlen die Sachen auch, versuchen aber gleichzeitig drei andere Kleinigkeiten mitgehen zu lassen“, weiß die Edeka-Angestellte. Ihre Kollegin an der Fleischtheke berichtet, dass es auch schon vorkam, dass das teuerste Fleisch gekauft wird und der Beutel mit dem Inhalt dann in einer anderen Tasche verschwindet. „Aber wir haben ja überall Kameras und bemerken solche Dinge schnell.“

Hausfriedensbruch und Diebstahl

Auffällig sind auch Wiederholungstäter. Erst kürzlich wurde in der Eisfelder Straße wieder jemand erwischt, obwohl er bereits wegen eines bereits verübten Diebstahls an gleicher Stelle Hausverbot hatte. Jetzt muss sich dieser Dieb nicht nur wegen Diebstahls, sondern auch wegen Hausfriedensbruch verantworten. „Aber meistens gehen wir leer aus, weil es sich nur um kleine Beträge handelt“, räumt Fultan Cavdar, Chefin des Neustadter Edeka, ein.


+++ Bleiben Sie mit dem Coburger Tageblatt auf dem Laufenden und holen Sie sich jetzt unsere kostenlosen Newsletter. +++


Meistens ohne Gewalt

Nur gut, dass die meisten dieser Straftaten ohne Gewalt stattfinden und es nur selten zu Auseinandersetzungen zwischen Tätern und Angestellten kommt. Aber auch das kommt vor: Nicht bestätigten Informationen zur Folge soll es zum Beispiel bei einem versuchten Diebstahl in Neustadt zu Handgreiflichkeiten zwischen einem Dieb und einer aufmerksamen Kassiererin gekommen sein. Die stellvertretende Filialleiterin wollte diesen Vorfall aber weder bestätigen noch dementieren.

Bei Rewe am Moos steht seit einigen Wochen vor dem Eingang ein großes Hinweisschild mit der Aufschrift: „Liebe Kunden, aus gegebenem Anlass und wirklich mehreren Diebstahl-Delikten am Tag bitten wir Sie, große Taschen bei unserem Kassierer/in abzustellen“. Die allermeisten Kunden haben dafür Verständnis. Und wer derzeit an den langen Kassenbändern steht und endlich an der Reihe ist, muss damit rechnen, dass er genaustens überprüft wird. Einkäufer werden nämlich regelmäßig gemustert, aufgefordert ihre Taschen und Körbe von allen Seiten zu zeigen und den Einkaufswagen deutlich ins Blickfeld des Kassierers schieben.

„Das ist keinesfalls Schikane“, erklärt eine Angestellte. Da sich die Diebstähle zuletzt wieder häuften, lassen die Angestellten noch mehr Sorgfalt als üblich walten. Diese Überprüfungen – auch bei langjährigen und treuen Kunden – sind derzeit in fast allen Supermärkten an der Tagesordnung.

Regelfall ist eine Geldstrafe

Bezüglich der strafrechtlichen Folgen für das Begehen eines Ladendiebstahls kann Gerald Storath keine pauschalen Aussagen treffen, da die Staatsanwaltschaft Coburg als Verfolgungsbehörde hier immer eine Einzelfallprüfung vornehmen und bei der Bemessung des Strafrahmens unter anderem immer die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Täters berücksichtigen würde. „Der Regelfall ist hier eine Geldstrafe. Bei Mehrfachtätern können aber auch Freiheitsstrafen verhängt werden“, so der Dienststellenleiter abschließend.

Ein kurioser Fall: Dieb flüchtet, wütet und lässt die Hosen runter

Ein kurioser Fall von Ladendiebstahl ereignete sich am 22. Januar dieses Jahres. Gegen 18.45 Uhr teilte der REWE-Markt in Neustadt einen flüchtenden Ladendieb mit. Der Täter hatte dort mehrere Verpackungen aufgerissen und Müsli-Riegel entwendet. Als er von der Filialleiterin aufgefordert wurde, mit ins Büro zu gehen, flüchtete er. Der Entwendungsschaden wurde auf 1,69 Euro beziffert, außerdem entstand ein Sachschaden von 13,12 Euro durch das Aufreißen der Verpackungen.

Eine Kundin bekam dies mit und verfolgte den flüchtenden Ladendieb mit ihrem Fahrzeug. In der Hölderlinstraße bemerkte der Räuber seine Verfolgerin, lief auf ihr Fahrzeug zu und trat mit dem Fuß gehen die rechte Fahrzeugseite. Im weiteren Fortgang schlug er gegen die Fenster des Fahrzeugs und versuchte durch das Betätigen der Griffe ins Fahrzeuginnere zu gelangen. Nachdem die Türen versperrt waren und seine Versuche misslungen waren, öffnete der Dieb seinen Gürtel, zog seine Hose herunter und entblößte sich vor seiner Verfolgerin. Anschließend zog er die Hose wieder hoch und rannte davon.

Der Mann wird wie folgt beschrieben, konnte aber bis heute noch nicht ermittelt werden: etwa 1,70 bis 1,75 Meter groß, unreine Haut, narbiges Gesicht, braune fettige Haare und zirka 30 Jahre alt. Er trug weite Jeans und eine dunkle Jacke mit Kapuze. Am Fahrzeug der Zeugin verursachte er einen Sachschaden von rund 500 Euro. Die Ergebnisse der Spurensicherung (DNA) stehen noch aus.

Lesen Sie auch

Inhalt teilen