Langanhaltender Beifall belohnte am Ende den „Coro Cantiamo“ für sein Passionskonzert in der gut besetzten Kirche St. Georg in Höchstadt. Dabei hatte der Erlanger Chor schwere Kost im Gepäck: Es ging um die Erzählung von Leiden und Sterben Jesus Christi. Viele Besucher hatten laut einer Pressemitteilung ein so nachhaltiges Erleben nicht erwartet, zumal das Programm auf Beteiligung jeglicher Instrumente verzichtete. Hauptwerk des Nachmittags war die Passionserzählung nach Matthäus in der musikalischen Fassung von Heinrich Schütz. Der Dresdener Hofkapellmeister an der Schwelle von Renaissance zu Barock brachte als Erster mit klarer Personen-Zeichnung das dramatische Element in die Erzählung der Passion Christi ein.
Daran orientierte sich Chorleiter Marco Schneider konsequent in seiner Interpretation, indem er seine enorme Kenntnis des damaligen Musikverständnisses nutzte und hörbar einbrachte.
Fesselnde Erzählung
Doch bevor die fesselnde Erzählung zu hören war, erklangen drei Motetten jener Zeit von Giovanni Pierluigi Palestrina, dessen 500. Geburtstag die Musikwelt in diesem Jahr feiert, Michael Praetorius und Carlo Gesualdo da Venosa − klug ausgewählt, da jeweils mit einer anderen Facette der Vertonung versehen.
Den Auftakt bildete eine Motette von Giovanni Pierluigi Palestrina, dessen 500. Geburtstag die Musikwelt in diesem Jahr feiert. Er gilt mit seiner ruhigen, eher mathematischen Polyphonie als erster Repräsentant katholischer Kirchenmusik, wie sie seit der Gegenreformation für Jahrhunderte bestimmend war.
Der „Coro Cantiamo“ nahm mit dem wechselweise als gregorianischer Choral einstimmig oder als mehrstimmiger Chorsatz gesungenen Hymnus „Vexilla Regis prodeunt“ das Publikum für sich ein. Mit der eindrucksvollen Motette „Ecce quomodo moritur justus“ von Carlo Gesualdo präsentierte der Chor eine eindrucksvolle Alternative zum Palestrina-Stil, eine Motette, die mit kühner Harmonik und Stimmführung Hinweise auf die Passion aus dem Alten Testament eindrücklich näherbrachte. Als Adeligem war es Gesualdo möglich, sich über die damals vorherrschenden musikalischen Gepflogenheiten hinwegzusetzen.
Protestantische Entwicklung
Dazwischen war von Michael Praetorius, zeitweise Vorgesetzter von Schütz am sächsischen Hof, eine Choralverarbeitung zur Passion zu hören. Damit wies der Chor auf die besondere protestantische Entwicklung des Kirchenliedes hin, bevor die 17 Sängerinnen und Sänger die knapp 50-minütige Passionserzählung begannen.
Der Chor gestaltete stimmsicher mit vielen textbezogen Details in der Interpretation die verschiedenen Volkschöre, die sich bis zu atemberaubenden, tumultartigen Szenen steigerten. Genauso gestalteten die jungen Chorsänger Simon Wünsche und Hans Däubler die Rollen des erzählenden Evangelisten und von Christus mit vielen Nuancen und stimmlichen Schattierungen. Jede weitere der zahlreichen Einzelrollen wurden von einem anderen Chormitglied souverän übernommen.
Lebendiges Szenarium
Die Partie des Pilatus hatte Schneider eigentlich für sich selbst vorgesehen, übergab sie aber kurzerhand wegen Heiserkeit an Konstantin Papoutsidis, der bereits die Rolle des Petrus übernommen hatte.
Besonders eindrucksvoll auch die Darstellung des Verräters Judas als tragische Nebenfigur durch Johanna Schatz. So entstand ein erschütterndes, lebendiges Szenarium der Leidensgeschichte, das die ganze Brutalität der Geschichte den Zuhörern erlebbar machte – allein durch die menschliche Stimme erzeugt.
Die absolute Stille im Auditorium während des Konzerts bewies, wie gebannt das Publikum dem Konzert lauschte. Damit bewies sich der „Coro Cantiamo“ einmal mehr als ein Chor von besonderer Güte mit außergewöhnlichen Programmkonzepten. red