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von Markus Häggberg
Unter uns am Obermain: Die Tragik einer guten Geschichte
Vom Antiquariat aus zieht es Markus Häggberg ins Café.
Vom Antiquariat aus zieht es Markus Häggberg ins Café. // Ivana Biscan
Signet des Fränkischen Tags von Markus Häggberg Fränkischer Tag
Lichtenfels – Eine zufällige Begegnung in Bamberg führt zu einer unerwarteten Geschichte über Krankheit, Heilung und menschliche Verbindung
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Italienische Ehepaare in portugiesischen Cafés sind ein oberfränkisches Vorkommnis. Und Nana Mouskouri singt dazu. Wann spricht man von einer guten Geschichte? Muss sie erfunden sein? Sollte sie wahr sein? Ein Freund von mir würde sagen, dass das von der Höhe der Bezahlung abhängt, ein anderer Freund würde dagegen einwerfen, dass eine gute Geschichte immer auch dieses ganz bestimmte Quantum an Tragik besitzen sollte, weil es daran gemahnt, dass wir uns in dieser Welt ein bisschen mehr Mühen geben sollten.

Diesem Freund zu Ehre, der leider nicht mehr lebt, erzähle ich diese Geschichte, die sich vor einigen Tagen zu mir begab. Ich fuhr nach Bamberg, weil ich mal wieder die Schnauze voll hatte. Bald stand ich in diesem Antiquariat, in welchem ich auf Henry Fieldings Buch „Tagebuch einer Reise nach Lissabon“ stieß. Ich kaufte es und zog weiter.

Bald stieß ich auf ein portugiesisches Café, und da mir Fielding schon von Lissabon erzählen mochte, glaubte ich nicht mehr an Zufall. So trat ich ein und geriet an den Tisch eines italienischen Ehepaars, das sich altersmäßig in seinen 40ern befand. Der Mann sah einem Lichtenfelser Stadtrat ungewöhnlich ähnlich und seine Frau war von fröhlicher Blässe.

Unter uns am Obermain: Italienisches Ehepaar

Wie ich erfuhr, heißt die Frau Elisa (seinen Namen habe ich vergessen) und ist Lehrerin an einer staatlichen Schule Oberitaliens. Dort ist ihr Mann, dessen Namen ich vergessen habe, als Konstrukteur Teilhaber einer Firma für Swimmingpool-Sicherheit. Dass es so etwas gibt, wusste ich bis dato auch nicht. Aber der Mann erzählte mir davon, dass sie seit letztem Juli mit einem umgebauten Lkw durch Europa fahren.

Wegen der Krebserkrankung seiner Elisa und weil die Fahrt im Sinne einer Abschiedstour gedacht war – eine Tour durch Frankreich, die Niederlande, Norwegen, Dänemark und Deutschland. Dazu zeigte er mir auf seinem Smartphone Bilder davon, wie er den Lkw-Laderaum zu einer Mini-Wohnung ausgebaut hatte. Und Elisa erzählte mir, dass sie vom Schauen einer deutschen Netflix-Serie den Nana-Mouskouri-Ohrwurm „Guten Morgen, Sonnenschein“ abbekam und seitdem traumatisiert sei.

Unter uns am Obermain: Hoffnung und Abschied

Dann mussten wir lachen und stießen mit Galao-Kaffee auf die Merkwürdigkeiten des Lebens an. Aber jetzt erzählte Elisa mir davon, dass sie während ihrer Abschiedstour unerwartet wieder gesund geworden sei. Dann, nachdem wir bezahlt hatten, gingen wir zu dritt noch ein bisschen fröhlich durch Bamberg.

Leider habe ich es versäumt, diese wunderbaren Menschen nach ihrer Adresse zu fragen. Ich werde sie also nie wieder sehen. Womit wir bei diesem ganz bestimmten Quantum Tragik angelangt wären, das mich daran erinnert, dass ich es beim nächsten Mal gefälligst besser machen sollte.

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