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Podcast "Fränkischer Talk"
Ludwig Schick, ist die katholische Kirche noch zu retten?
Bambergs emeritierter Bischof Ludwig Schick war im Podcast Fränkischer Talk zu Gast
Bambergs emeritierter Bischof Ludwig Schick war im Podcast Fränkischer Talk zu Gast // Matthias Hoch
Bamberg – 20 Jahre lang war Prof. Ludwig Schick Erzbischof im Bistum Bamberg. Im Podcast erzählt er von seinen nicht erfüllten Traumen, von Fehlern der Kirche und fordert, dass Priester heiraten dürfen.

"Gab es je einen Moment, in dem Sie die Existenz von Gott angezweifelt haben?" – Die Antwort kommt ohne jedes Zögern: "Ja. Das passiert mir heute auch noch!" 

Es ist nur eine von vielen Antworten Schicks, die untypisch für Kirchenmänner in hoher Position sind.

Der emeritierte Bamberger Erzbischof hat in einem einstündigen Interview für den Podcast "Fränkischer Talk" sehr persönliche An- und Einsichten geteilt, aus seinem Leben erzählt und Kritik an der katholischen Kirche und auch an sich selbst geübt.

Er spricht von seinen unerfüllten Träumen, von Zweifeln und bitteren Momenten, aber auch davon, wie ihn die zwei Jahrzehnte im Bistum Bamberg geprägt haben.

Große Feste und tiefgreifende Skandale, ein Leben ohne eigene Kinder und doch eng mit seiner Familie in der Heimat verbunden, die klare Entscheidung für ein zölibatäres Leben und die Überzeugung, dass Priester durchaus Familie haben könnten:  Schick erlaubt Einblicke in sein Seelenleben als Seelsorger und an die Zeit, als ein Beruf für die Kirche noch nicht realistisch schien. 

Das gesamte Gespräch hören Sie auf allen gängigen Podcast-Plattformen wie Spotify und Apple Podcasts  oder direkt hier: 

Im Folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus seinen Antworten und Überlegungen:

Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn

Als Schick sich entschloss, in die Seelsorge zu gehen, führte das zum Zerwürfnis mit seinem Vater, der ganz andere Pläne für seinen Sohn gehabt hatte. 

Ludwig Schick: „Wir hatten eine Jagd und eine Fischerei und ich bin mit auf die Jagd gegangen und war sehr naturverbunden. Und mein Vater dachte zu Recht, ich mache jetzt das, was er nicht machen konnte. Und dann habe ich ja erst zum Arzt tendiert, das war ihm auch schon nicht so recht. Aber als ich dann von dem Arztberuf zum Seelsorgsberuf überwechseln wollte, da war es für ihn einfach nicht mehr akzeptabel. Und dann hat er auch Druck ausgeübt und wollte mich eigentlich in die andere Richtung bewegen. Das hat dann ein fast zweijähriges Stillschweigen zwischen uns verursacht. Das hat mir auch sehr leid getan, weil ich mich mit meinem Vater und mit meinen Eltern immer sehr sehr gut verstanden hab."

Schick: "Ich war eigentlich kein gläubiger Mensch"

Der Priesterberuf war ihm also nicht in die Wiege gelegt – ganz im Gegenteil. „Ich war eigentlich kein gläubiger Mensch", sagt Schick, „bis zum Abitur.“ Er bezeichnet sich selbst als einen 68er: In dieser Zeit habe er viel gefragt und diskutiert.  „Da ging mir eigentlich die Frage auf: Was trägt eigentlich das Leben, was macht das Leben aus? Und in diesem Zusammenhang bin ich dann erst auf den Glauben gestoßen“.

Er habe anfangs Theologie studiert, um sein Wissen um den christlichen Glauben zu vertiefen. Der Gedanke an ein Leben als Priester sei erst später gekommen. 

Drei Anträge auf die Mission, drei Ablehnungen

Die Kirche hat ihm nicht immer alle Wünsche erfüllt. Im Gegenteil: Ludwig Schick wollte in die Mission. Dreimal hat er Anträge gestellt, dreimal wurden sie abgelehnt.

Schick: „Das hat mich schon beschäftigt. Und das hat auch irgendwie weh getan, wenn man Träume, die man hat, sich nicht erfüllen kann. Man muss die Situationen dann annehmen wie sie sind und das Beste draus machen. Das hat mir sehr geholfen. Wenn ich zurückblicke, habe ich in meinem Leben sehr oft nicht das machen können, was ich wollte.“

Auch ein Erzbischof zweifelt an der Existenz Gottes

Auch nach 55 Jahren als Mann der Kirche, als Priester, Weihbischof und Erzbischof, zweifle auch er immer wieder an der Existenz Gottes:

Schick: „Das passiert mir heute auch noch. Ich bin ja ein sehr politisch sensibler und orientierter Mensch, beschäftige mich sehr mit der Weltlage und Weltpolitik. Und wenn ich Katastrophenmeldungen bekomme und mich damit beschäftige, dann denke ich manchmal: Wie kann das sein, dass es einen guten Gott gibt und all dieses Leid geschieht?" Im Podcast verrät Schick, wie er aus diesem Zweifel wieder herauskommt und was ihn immer wieder glauben lässt. 

Missbrauchsfälle: Selbstkritische Worte von Ludwig Schick

Im Podcast spricht der ehemalige Erzbischof über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, auch im Bistum Bamberg. Persönlich habe er niemals bekommen, dass jemand übergriffig geworden sei, „in Fulda nicht und hier in Bamberg auch nicht. Aber mir wurden natürlich Dinge berichtet.“

Der Arbeitsstab im Bistum sei allen Vorwürfen nachgegangen: „Wir haben unser Möglichstes versucht. Aber das ist ein sehr schwieriges Feld, da immer die Wahrheit herauszubekommen“. 

Schick: „Dass wir alles so gemacht haben, dass es wirklich zufriedenstellend war, das kann ich nicht sagen. In den 20 Jahren haben wir auch viel gelernt, wie wir besser damit umgehen konnten. Ich würde sagen, wir haben das Mögliche versucht, sind aber nicht jedem – und die Opfer und die Betroffenen sind immer die wichtigsten – gerecht geworden. Ich hoffe, dass in Zukunft das immer noch besser geht. Und da will ich auch meinen Teil noch dazu beitragen.“

Der Fall Otto Münkemer

Der wohl prominenteste Fall im Bistum Bamberg war der seines ehemaligen Personalchefs Otto Münkemer. Er soll als Leiter des Ottonianums in den 1980er-Jahren Internatsschüler missbraucht haben. 2008 kam der Fall an die Öffentlichkeit. Wie hat der damalige Erzbischof das erlebt? 

Schick: „Ich hab‘ mir das nicht vorstellen können. Und bei anderen Missbrauchsfällen auch nicht, weil ich immer gedacht hab: Ein Priester, der jeden Tag die Eucharistie feiert, der das Evangelium liest, das kann doch nicht sein! Aber es war. Das hat mich tief erschüttert und hat mir viele Fragen aufgeworfen.“

Im Podcast: Der Tod des Bischofs Dyba, Zölibat und Frauen in der Kirche

Im Podcast erzählt Schick vom überraschenden Tod des Bischofs Dyba in Fulda, nach dem viele Gläubige dachten, er würde sein Nachfolger werden. Er reflektiert über nicht erfüllte Wünsche und andere Lebensentwürfe. Und er spricht sich deutlich dafür aus, das der Zölibat für Priester eine freiwillige Entscheidung sein sollte und auch Frauen eine größere Rolle in der Kirche spielen sollten. 

Und er sagt, woran es scheitert, dass die Kirche in diesen Fragen so unbeweglich ist. 

20 Jahre Erzbischof in Bamberg

Zwei Jahrzehnte lang hat Prof. Ludwig Schick als Erzbischof die Katholiken im Bistum Bamberg geführt und war Metropolit der Diözesen Eichstätt, Speyer und Würzburg. An Allerheiligen 2022 hat er für viele überraschend mit sofortiger Wirkung sein Amt als Erzbischof aufgegeben. 16 Monate hat es gedauert, bis sein Nachfolger Herwig Gössl im Amt war. 

Der gebürtige Marburger hat in den 20 Jahren seiner Amtszeit unzählige Firmungen und Taufen gespendet, Gottesdienste gefeiert und Jubiläen gestaltet, darunter die Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Bestehen des Bistums Bamberg. Er war 16 Jahre lang Vorsitzender der Weltkirchenkommission.

Er gründete zwei Stiftungen. Schon bevor das ganze Ausmaß der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche ans Licht kam, hatte er einen Arbeitsstab für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle ins Leben gerufen. Mehr als 160 Menschen haben sich im Bistum Bamberg als Betroffene gemeldet.

Hier sehen Sie weitere Folgen. Diese und viele mehr finden Sie in der Übersicht auf www.fraenkischer-talk.de.

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