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Podcast: Fränkischer Talk
Sibylle Broll-Pape, gehen Sie mit leichtem Herzen?
Sibylle Broll-Pape, Intendantin des E.T.A.-Hoffmann-Theaters in Bamberg von 2015 bis 2025
Sibylle Broll-Pape, Intendantin des E.T.A.-Hoffmann-Theaters in Bamberg seit 2015, war wenige Monate vor ihrem Abschied im Podcast "Fränkischer Talk" zu Gast und hat dort über die Vergangenheit und die Zukunft gesprochen. // Foto: Andrea Pauly, Grafik: Maximilian Arnold
Bamberg – Ihre Zeit in Bamberg war von Widersprüchen geprägt: Neider und Bewunderer, Auszeichnungen und Shitstorms. Im Podcast blickt Sibylle Broll-Pape abgeklärt, aber nicht frei von Emotionen zurück.

Als Kind sah sie ihr erstes Theaterstück, "Peterchens Mondfahrt".

An diesem Tag wusste sie: Sie wollte ins Theater. Seitdem sind viele Jahre vergangen. Die Liebe zum Theater aber nicht. 

Trotzdem studierte Sibylle Broll-Pape nach dem Abitur erstmal etwas "Vernünftiges": Mathematik, Informatik und Anglistik. Nach einem kurzen Abstecher in die Computerbranche machte sie ihren Kindheitswunsch dann wahr: In Bochum gründete sie 1991 das Prinz-Regent-Theater mit, das sie bis zu ihrem Wechsel nach Bamberg leitete.  

Regie führen als Autodidaktin

Wie man Regie führt, hat sie sich selbst beigebracht: Sie verbrachte viel Zeit im Theater, schaute Stücke an, las viel. Und als Regisseurin an freien Theatern probierte sie sich aus, lernte und experimentierte. Damals habe sie noch "viel Mist gemacht", erinnert sie sich amüsiert an ihre Anfänge. 

Seit zehn Jahren ist Sibylle Broll-Pape Intendantin des E.T.A.-Hoffmann-Theaters, des Bamberger Stadttheaters, und damit eine der prägenden Persönlichkeiten in der Bamberger Kulturlandschaft. In der aktuellen Folge des Podcasts "Fränkischer Talk" spricht sie über ihre Vergangenheit und ihre Zukunft, über das Beste am Theater-Machen und die schwierigsten Momente ihrer Intendanz. 

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Einsatz für mehr Diversität und Gerechtigkeit 

In den zehn Spielzeiten hat sie nicht nur die Stücke ausgewählt, verantwortet und zahlreiche davon selbst inszeniert, sondern auch einige grundsätzliche Neuerungen am Theater bewirkt. Sie hat

  • den Anteil der Frauen im Ensemble auf 50 Prozent erhöht
  • die Gagen von Männern und Frauen angepasst
  • Menschen aus Syrien und der Ukraine eingestellt
  • zwei Vorführungen mit Gebärdensprache ermöglicht
  • Paten- und Partnerschaften mit Schulen geschlossen
  • günstige Last-Minute-Tickets für Schülerinnen und Studierende eingeführt
  • im Rahmen des Projekts "Kultur-Tafel" insgesamt 3600 Menschen einen Theaterabend ermöglicht, die es sich sonst nicht leisten könnten.

Leiterin, Geschäftsführerin und Regisseurin in einer Person

Als Intendantin ist Broll-Pape Künstlerische Leiterin, Regisseurin und Geschäftsführerin zugleich. "Es gibt Intendanten, die haben mit der Geschäftsführung nicht so viel zu tun. Es gab Momente, da hab ich sie beneidet", sagt sie amüsiert und verweist damit indirekt auf die Diskussionen ums Geld und die Vorwürfe, sie habe Zahlen geschönt. Aber dazu später mehr. 

Andererseits habe ihr die kombinierte Aufgabe immer mehr Gestaltungsspielraum gegeben – deshalb habe sie diese Version lieber gemocht.

Reine Unterhaltung ist nicht die Aufgabe 

Künstlerisch hat sie in dieser Zeit einen Schwerpunkt auf zeitgenössische Werke mit hoher gesellschaftlicher Relevanz gelegt, auch wenn das nicht jeder und jedem gefiel: "Wir sind nicht dazu da, hier einfach Unterhaltung zu machen", sagt sie mit Überzeugung. Ein Stadttheater, das vom Geld der Stadt finanziert werde, habe die Aufgabe, sich – durchaus unterhaltend – mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen und das Publikum mit Fragen nach Hause zu schicken, Fragen über die Welt oder sich selbst. Was die Leute daraus machen, sei ihnen selbst überlassen.

Sie erklärt, warum ihr Preise, Auszeichnungen und Einladungen zu Gastspielen viel bedeuten und warum in Bamberg nach ihrem Gefühl nicht so wichtig ist, was die Theaterwelt außerhalb Frankens über das E.T.A.-Hoffmann-Theater denkt. Und sie erzählt, welche Stücke in ihrer Zeit die erfolgreichsten waren.

Die ewige Frage nach den Operetten

Eines davon war "Das weiße Rössl" – die einzige Operette, die unter ihrer Leitung in Bamberg gespielt wurde.  Im Podcast verrät sie, warum es unter ihrer Intendanz keine Musikstücke in Bamberg gab – und warum die zuvor öfter gastierenden Ensembles aus Coburg oder Hof sogar sehr einverstanden damit waren, nicht mehr in Bamberg zu spielen. 

Das perfekte Programm für die Bamberger? Das kann sie nicht beantworten: "Nach über 30 Jahren könnte ich nicht sagen, was bei einem Publikum ankommt und was nicht", sagt Broll-Pape. "Und das ist auch gut so, sonst wäre das ja alles so wahnsinnig berechenbar."

Holpriger Start in der Stadtgesellschaft

Im Gespräch blickt sie auf einen holprigen Start zurück. "Es ist nicht immer ganz einfach, als Frau in die etablierten Kreise reinzukommen", erinnert sie sich. "Männer, die alleine sind, werden sofort eingeladen." Allerdings betrachtet sie das mittlerweile mit Humor. 

Ganz anders war das Ankommen in der Kulturszene: Mit dem Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia und den Bamberger Symphonikern sei der Kontakt von Anfang an hingegen sehr gut gewesen. Dafür sei sie dankbar. 

Der persönliche Shitstorm und die Folgen

Im Podcast geht es auch um das Jahr 2023, in dem sie nach einem Brief eines früheren Angestellten persönlich scharf angegriffen wurde, ihr eine schreckliche Führung und falsche Zahlen unterstellt wurden.

Sie schaut darauf zurück, abgeklärt, aber nicht ohne über die Verletzung und Enttäuschung zu sprechen.  Kritik übt sie an ihrem Arbeitgeber, der Stadt Bamberg. Von ihren Vorgesetzten hätte sie sich mehr Unterstützung, mehr Verteidigung gewünscht, als es gegen sie ging. "Naja. Auch das bring mich jetzt nicht um."

Abschied mit Paukenschlag

In ihrer letzten Spielzeit stehen mit einem Teil von "Anthropolis", "Peer Gynt" und "Der große Gatsby" drei besondere Stücke auf dem Spielplan. Außerdem lädt das Theater zum "Tanz in den Mai" ein. Damit erfüllt sich Broll-Pape einen Wunsch: Schon lange wollte sie das machen, nie passten die Premierentermine dazu.

Die letzten Stücke sind große Aufgaben für Dramaturgie, Regie und Ensemble. "Wir wollten schon mit nem Paukenschlag gehen", schmunzelt sie im Gespräch. "Wir wollten uns nicht einfach verdünnisieren."

Was für Broll-Pape offen geblieben ist

Ein paar griechische Tragödien, die hätte sie gern noch ausgerollt. Und es gibt ein Thema, das sie immer wieder geschoben hat, aber unbedingt noch machen wollte, weil es so wichtig in der Domstadt Bamberg ist: der Glauben.

Im "Fränkischen Talk" spricht sie darüber, wie sie die Anwesenheit ihres Nachfolgers am Haus wahrnimmt, und sie beide mit der Situation umgehen. Sie spricht über ihren Nachfolger John von Düffel und verrät, ob sie dem E.T.A.-Hoffmann-Theater als Zuschauerin erhalten bleibt.

Nach dem Ende ihrer letzten Spielzeit in Bamberg geht Sibylle Broll-Pape zurück nach Bochum. Eine Zeitlang hatte sie überlegt, in Bamberg zu bleiben. Doch nach den Debatten um ihre Person vor zwei Jahren kam das nicht mehr in Frage. "Es ist die richtige Entscheidung wegzugehen, so sehr ich die Stadt mag."

Sibylle Broll-Pape und das E.T.A.-Hoffmann-Theater

Mehr über Sibylle Broll-Pape, ihre Arbeit und das E.T.A.-Hoffmann-Theater lesen Sie hier:

Weitere Folgen "Fränkischer Talk"

In der nächsten Folge "Fränkischer Talk" ist Broll-Papes Nachfolger John von Düffel zu Gast. Die Episode erscheint am Donnerstag, 17. April 2025.

Alle bisherigen Gespräche finden Sie kostenfrei hier in der Übersicht. Eine kleine Auswahl: 

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